Aus der Schweiz gab es damals Gegenwind
Der Windpark Verenafohren ist nun offiziell eröffnet – die Politik schwärmt von einem Vorzeigeprojekt. Die kritischen Stimmen sind aber nicht verschwunden.
Betreiber: Auch EKS mit dabei
- An der Betreibergesellschaft Hegauwind GmbH und Co. KG sind elf Firmen beteiligt. Am Bau und Betrieb beteiligt sind auch die Elektrizitätswerke des Kantons Schaffhausen (EKS) und das Städtische Elektrizitätswerk SH Power.
- Der Windpark Verenafohren ist der erste Windpark im Landkreis Konstanz. Die Betreiber rechnen mit einer jährlichen Stromerzeugung von rund 20 Millionen kWh, womit der private Stromverbrauch von 20 000 Menschen gedeckt werden kann.
- Die Planung dauerte rund vier Jahre. Die erste Informationsveranstaltung in Tengen-Wiechs fand im Juni 2013 statt. Der Spatenstich für das Grossprojekt erfolgte im September 2016. Schon im Dezember 2016 wuchs das erste der drei Windräder in den Himmel. Der Bau kostete rund 16,3 Millionen Euro. Die Türme sind rund 200 Meter hoch, die Rotorblätter rund 70 Meter lang und 15 Tonnen schwer.(uc)
von Thomas Günter und Luc Müller
Nun sind sie offiziell in Betrieb: die drei rund 200 Meter hohen Monsterwindräder der Windparkanlage Verenafohren. Diese steht im deutschen Tengen im Ortsteil Wiechs direkt im Schweizer Grenzgebiet zur Gemeinde Büttenhardt. Rückblick: Im Sommer 2016 begann der Spatenstich für die Windräder – nach rund dreijähriger Planung. Zur Betreibergesellschaft gehört auch das Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen (EKS).
Das Projekt im Waldgebiet war alles andere als unumstritten, unter anderem aus Gründen des Landschaftsschutzes. Darauf am Freitag in der Sendung «Hüt im Gspröch» des Schaffhauser Fernsehens kritisch angesprochen erklärte Bene Müller, Vorstandschef bei der federführenden Mitbetreiberfirma Solarcomplex: «Hier stehen jetzt moderne Bauwerke, die unsere Landschaft verändern. Darüber wird man in der Region sprechen, ganz klar. Ich bin der Ansicht, in zehn Jahren werden wir das als Normalität empfinden.»
Eilantrag aus der Schweiz
Auf Schweizer Seite gehörte Beat Mader zu den Gegnern der Windanlage. Nur rund 600 Meter von der Anlage führt er in Büttenhardt ein Ferienheim mit Pferden sowie Zentrum für betreutes Wohnen und Arbeiten für Jugendliche. In einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht in Freiburg wurde bemängelt, dass der Mindestabstand von 700 Metern zum Anwesen des Anliegers unterschritten werde. Zudem befürchtete Beat Mader Lärm und Störung seines Betriebes durch Lärm und Infraschall. Auch Forum erneuerbare Energie Hegau-Bodensee hatte damals zusammen mit Mader Einsprache gegen den weiteren Bauvollzug eingereicht. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag aber im September 2016 ab. «Zu Projektbeginn hat niemand von der Bauherrschaft mit uns geredet», erinnert sich Mader. Erst nach dem Eilantrag. «Gemäss den Bauauflagen müssen Lärmmessungen durchgeführt werden. Wir werden prüfen, ob das wirklich passiert», so Beat Mader. Die Windräder seien zu hören, vor allem wenn sie mal am Abend drehen. Alex Schlatter, Gemeinderat in Büttenhardt und Jäger, stand dem Projekt ebenfalls kritisch gegenüber. In den SN sagte er im Sommer 2016: «Die Anlage ist ein ökologischer Blödsinn.» Er habe nichts gegen Windenergie, aber der Standort sei falsch, ärgert sich Schlatter auch heute noch. «Es musste sehr viel Wald für erneuerbare Energie gerodet werden – das geht irgendwie nicht auf.» Die Gemeinde sei zwar damals wegen des Projekts angefragt worden, sei sich aber der Dimension nicht bewusst gewesen. «Ob eine Einsprache überhaupt genutzt hätte, ist fraglich.»
Windmesskampagne am Anfang
Am Samstag wurde die offizielle Eröffnung Anlage Verenafohren mit einem Fest für die Bürger vor Ort gefeiert. Bereits am Mittwoch trafen sich Politiker mit Vertretern der Windparkbetreiber vor Ort. Bene Müller von Solarcomplex bemerkt dass das Projekt an vielen einzelnen Stellen hätte scheitern können. Die erste Hürde sei die 400 000 Euro teure Windmesskampagne gewesen. «Hätte die Windhäufigkeit nicht ausgereicht, hätte man das Ganze einstampfen können», so Müller. Eine weitere Herausforderung war die Eigentümerstruktur mit 220 Grundstücken und 80 Eigentümern. Es hätte an einem einzigen Grundstückseigentümer scheitern können. Dann brauchte es noch eine grosse Zahl Untersuchungen und Gutachten. «Die Anlieferung der 65 Meter langen Rotorblätter war zudem nur über einen einzigen Weg möglich», erinnerte sich Müller. Die letzte Hürde sei dann ein Einspruch eines Schweizer Anliegers gewesen, der allerdings von allen Instanzen zurückgewiesen wurde.
Positive Sicht der Politiker
Müller hofft, dass der Windpark Verenafohren für eine Versachlichung der Windkraftdiskussionen sorgen wird. «Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, uns Alternativen zu überlegen. Wir können nicht zu allem Nein sagen», so Müller. Der Tengener Bürgermeister Marian Schreier (27) erinnerte daran, dass sich in 35 Kilometer Luftlinie die Schweizer Atommeiler Beznau und Leibstadt befinden und bei einem Reaktorunfall die gesamte Region betroffen wäre. «Das allein ist für mich eine Notwendigkeit, dass man aussteigt aus dem atomaren Zeitalter und den Weg in Richtung erneuerbare Energien geht», so Schreier. Er bemerkte zudem, dass der Windpark Verenafohren über die gesamte Projektlaufzeit ohne nennenswerten Bürgerprotest abgelaufen sei und die drei Windanlagen nicht als Fremdkörper, sondern als Bestandteil der Gemeinde gesehen würden. Der Schaffhauser Regierungsrat Martin Kessler erklärte am Mittwoch: «Jeder kann sich seine Meinung bilden, ob der Windpark landschaftlich verträglich scheint oder nicht.»
Mit einem grossen Fest wurde am Samstagnachmittag der Windpark Verenafohren offiziell eingeweiht und die Windanlagen eröffnet. Mehrere Hundert Anwohner, Energieinteressierte, Kinder und Erwachsene zog es aus diesem Anlass ins deutsche Tengen, Ortsteil Wiechs. Der Blick in 200 Meter Höhe, wo die drei Windräder aus dem Wald ragten, begeisterte. Geboten wurde bei der Einweihung, zu der man nach einem kurzen Fussmarsch ab dem Sportplatz Tengen kam, für Gross und lein etwas. Schon von Weitem war das Blasorchester des Musikvereins Wiechs aus dem Festzelt zu hören. Nebst Tombola und kulinarischen Angeboten gab es auch ein Glücksrad, an dem sich vor allem die Jüngsten versuchten. Andere tobten sich dagegen lieber auf dem Spiel-Feuerwehrauto aus. Die Erwachsenen interessierten sich hauptsächlich für die zahlreichen Informationsangebote zur Energiewende, zum Verenafohren-Windpark oder die Energieversorgung in der näheren Umgebung. Für das leibliche Wohl wurde am ganzen Nachmittag mit Grillwürsten und Kuchen gesorgt – wobei insbesondere die Grillwürste sehr gut verkauft wurden und zwischenzeitlich auszugehen drohten.
Die offizielle Festansprache und Eröffnungsrede hielt Marian Schreier, Bürgermeister der Stadt Tengen. Er blickte noch einmal zurück auf die knapp vierjährige Planungs- und einjährige Bauphase des Grossprojektes Windpark Verenafohren. Wiederholt betonte er dabei auch die wichtige Zusammenarbeit mit den grenznahen Schweizer Gemeinden, stehen doch die Windräder nahe der Schweizer Grenze. Im Anschluss an die Rede war es Schreier, der die Tür des Turmes öffnete, um Schaulustigen einen ersten Einblick in das Windrad zu gewähren. Gerade dieser Einblick genoss grosse Beliebtheit, bildete sich doch bereits eine gute halbe Stunde vor der Ansprache eine lange Warteschlange vor dem Turm. Jeweils fünfzehn Gäste konnten zeitgleich mit weissen Bauhelmen ausgestattet und in den Turm gelassen werden. Geduld war gefragt.
In Tengen vor Ort waren am Samstag auch zahlreiche Vertreter aus der Schweizer Politik, darunter auch Ständerat Hannes Germann. Der in Opfertshofen wohnhafte Politiker konnte aus seiner Wohngemeinde den Aufbau der Windanlagen aus nächster Nähe mitverfolgen und genoss nun am Samstag die Eröffnungsfeier der Anlage in Tengen.
Mit einem Informationsstand im Tengener Wald vor Ort waren auch zwei Vertreter des EKS. Die gewonnene Energie aus den drei neu errichteten Windrädern fliesst vollumfänglich in ihr Netz. Innerhalb eines Jahres sollen damit knapp 20 Millionen kWh gewonnen werden, was einer Stromversorgung von 20 000 Menschen in privaten Haushalten entspricht. Ersichtlich ist die Energiewende auch auf dem auffallend bemalten Auto des EKS. Gleich mehrere schwarz gemalte Windräder und der Slogan «Energiewende leben» zieren die Seite des Autos.(cfe)
Der Transport der verschiedenen Teile der drei Windräder war eine Herausforderung, wie dieses Video aus dem März 2017 zeigt: