Der Löwe verlässt die Redaktion

Sandro Stoll | 
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Wird der SN-Redaktion sehr fehlen: Urs Leu. Bild: Melanie Duchene

Eben noch hingen die beiden Bilder an seiner Bürotür: der grosse Löwe mit mächtiger Mähne und gelassenem Blick, ganz in sich selber ruhend. Und darunter ein Foto von Winston Churchill, der aus dem Fenster schaut, Respekt einflössend, Kraft ausstrahlend, neugierig. «Sir Winston» hat Urs über das Bild geschrieben.

Jetzt sind die Fotos weg, die Schränke leer. Urs Leu hat die Redaktion verlassen, nach 35 Jahren, 8 Monaten und 3 Tagen.

Als Urs am Montag, 5. Januar 1987, seine Stelle als Volontär in der Regionalredaktion antritt, ist er für die Leserinnen und Leser längst kein Unbekannter mehr. Urs hat an der ETH Geografie studiert und schreibt schon seit fünf Jahren für die SN – nicht nur, aber vornehmlich übers Wetter. Die «Wetterecke» hat er von Kantonsplaner Werner Mettler übernommen und er macht sie fortan zu einem festen SN-Bestandteil mit eigener, unverwechselbarer Handschrift: Natürlich stützt sich der ­Naturwissenschaftler bei der Beschreibung der Wetterphänomene auf aktuelle Statistiken und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, aber mit eben­so viel Freude widmet sich der historisch interessierte Jungjournalist regionalen Wetterchroniken, bäuerlichen Wetterweisheiten und den träfen Sprüchen, die der Hundertjährige Kalender für jede Wetterkapriole bereithält.

Daneben schreibt Urs über alles, was auf einer Regionalredaktion so anfällt. Natürlich auch über Politik. Wirtschaftspolitisch liberal, in gesellschaftlichen Belangen bürgerlich und in staatspolitischen Fragen eher konservativ, passt er gut ins Team, das damals noch von Max U. Rapold geleitet wird. Mit seiner ebenso heimatverbundenen wie weltoffenen Art gewinnt Urs schnell den Respekt seiner Kolleginnen und Kollegen und wird schon 1989 zum zeichnenden Redaktor befördert.

Urs ist vielseitig interessiert und fasziniert von der Geschichtsforschung. Auch über seine Heimatgemeinde schreibt er oft in den SN, ein paar Jahre später, 1996, erscheint seine Merishauser Ortsgeschichte, die unter Historikern noch immer als eine der fundiertesten im Kanton gilt.

Büros von Journalisten sehen in der ­Regel schlimmer aus als die Zimmer von Halbwüchsigen. Zur Hektik unseres Berufes gehört das Blätter- und Bücherchaos um uns herum. Bei Urs war das nicht so. Urs hielt Ordnung und er verstand sich aufs Organisieren. Das kommt ihm zugute, als er Ende der 90er-Jahre Chef vom Dienst wird. Viele Fäden laufen jetzt bei ihm ­zusammen, Urs ist bestens informiert und seine Besonnenheit tut der Redaktions­maschine, die immer mal wieder zu überhitzen droht, gut.

Weitere Aufgaben kommen hinzu, für längere Zeit leitet Urs auch das «Schaffhauser Magazin». Dann wird er Produzent im Regionalteil, er konzipiert, layoutet und ­redigiert, ist Dreh- und Angelpunkt der ­Redaktion und Coach zugleich.

Urs ist ein genauer Leser. Viele kommen gern zu ihm mit ihren Texten, er entdeckt die Schwachstellen, hakt nach und unterstützt. Auch mit den Jungen kann er es gut, vielleicht hilft ihm da seine päda­gogische Ausbildung, er hätte ja Kanti-Lehrer werden können mit seinem Diplom für das höhere Lehramt. Zudem: Urs wirkt manchmal in sich gekehrt, doch er ist schlagfertig, hat Witz, und, wenn er will: Charme.

Die Arbeit im Newsroom ist oft hektisch und nicht immer frei von Konflikten. Kurz vor seinem Abschied sagt Urs, den wir ­früher «Löwe» gerufen haben, er hätte sich wieder mehr Ruhe gewünscht, mehr Gelassenheit, einen freieren Kopf und die Möglichkeit, sich einer Sache intensiver zu ­widmen.

So geht denn diese Ära ein bisschen vor ihrer Zeit zu Ende. Am Donnerstag hatte Urs seinen letzten Arbeitstag. Am Freitag wurde er 63.

Danke, lieber Urs, für viele gute Jahre! Unsere besten Wünsche begleiten dich.

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