Junge Frauen verhüten oft mit der Pille – später suchen sie Alternativen

Die Einführung der Antibabypille in den 60-er Jahren löste einen Hype aus und gilt als Befreiungsschlag für die Frauen. Heute sind viele aber auf der Suche nach hormonfreien Varianten.
Die Pille hat einst die Gesellschaft und die Selbstbestimmung der Frau verändert. Heute ist sie aber vielen nicht mehr ganz geheuer. Gewichtszunahme, Brustspannen, Hormonschwankungen, verringerte Libido, Stimmungsschwankungen und Depression sind nur einige bekannte Nebenwirkungen. Laut dem Schweizerischen Verhütungsbericht vom Gesundheitsobservatorium (Obsan) 2017 gaben 2012 rund 20 Prozent der Frauen in der Schweiz an, mit Hormonen zu verhüten.
Ein Abwärtstrend in der hormonellen Verhütung ist bei Frauen im Alter zwischen 25 und 29 Jahren erkennbar. Die Frauenärztin Tanja Litzenburger beobachtet ihn aber auch schon in Schaffhausen bei jüngeren Frauen: Die Nachfrage nach hormonfreien Methoden wie der Kupferspirale, habe in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen. Das liege einerseits am zunehmendem Gesundheitsbewusstsein, die Frauen möchten ihre Körper nicht durch Hormone bestimmen lassen und daran, dass sie durch das Internet besser aufgeklärt seien. «Sie wollen auch kein Thromboserisiko oder psychische Auswirkungen haben, sondern ihre Körper spüren», sagt sie. Die Bahnhofsapotheke Schaffhausen beobachtet einen leichten Rückgang der Antibabypille-Verkaufszahlen: 2017 waren es insgesamt 3965 Packungen, 2018 noch 3679. Bei jüngeren Frauen bis 19 Jahren bleibt die Verhütung mit Hormonen aber beliebt.
«In Zukunft wird das Thema rund um die Verhütung sicher individueller und komplexer, da auch neue Präparate auf den Markt kommen», sagt Julia Kranz, Oberärztin der Frauenklinik am Kantonsspital Schaffhausen. Gemäss Obsan verhüten 80 Prozent der sexuell aktiven Personen von 15 bis 49 Jahren. Kondom oder hormonelle Mittel werden am häufigsten genutzt, gefolgt von Sterilisation und Spirale. Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit von Kondomgebrauch und hormonellen Methoden ab. Es werden natürliche, hormonfreie Alternativen gesucht und gefordert. Frauen über 35 Jahren, die rauchen, übergewichtig sind, hohen Blutdruck oder Herz-Kreislauferkrankungen haben, sollten laut Obsan Alternativen in Betracht ziehen. Da bestehe Handlungsbedarf, denn mehr als ein Viertel der Frauen, die mit der Pille verhüten, weisen zwei oder mehr dieser Risikofaktoren auf.
Wie verhüten Schaffhauserinnen wirklich?
«Als hätte mir jemand einen Schleier vor den Augen entfernt oder ein Gewicht in jener Hirnregion, wo Emotionen gesteuert werden, weggenommen.» So beschreibt Iva* (27) die Zeit nach dem Absetzen der Antibabypille Yasmin. Schon bald habe sie mehr Lust auf Sex bekommen und zugleich ihren Körper intensiver gespürt. «Während ich die Pille noch nahm, habe ich meine Emotionen oft unterdrückt, vieles fühlte sich irgendwie trüb an.»
Als 16-jährige hat Iva die Antibabypille von der Frauenärztin verschrieben bekommen. Sie bereue bis heute, dass sie die Pille überhaupt genommen habe. Mit 26, auf der Suche nach einer hormonfreien Verhütungsmethode, liess sie sich die Kupferspirale einsetzten. Ihr Körper aber rebellierte und stiess den Fremdkörper ab. Während sechs Monaten hatte sie fast durchgehend die Periode. Von Frauenärzten wünscht sie sich mehr Verantwortung bei der Verschreibung der Pille, vor allem bei Jugendlichen. «Sie müssen umfassend über Alternativen aufgeklärt werden.» Iva möchte weiterhin hormonfrei verhüten und informiert sich derzeit über natürliche Alternativen. Die Zyklus-App «Clue» ist zurzeit das einzige Verhütungsmittel, das sie nutzt. Sie berechnet Menstruation, Eisprung und die fruchtbaren Tage.
Keine Lust und EnergieMit 18 liess sich Marianne* (25) beim Frauenarzt die Pille verschreiben. «Er hat mich über keine der gesundheitlichen Risiken oder möglichen Veränderungen der psychischen Verfassung aufgeklärt. Er hat sich einzig danach erkundigt, wie oft ich rauche, und hat mir dann eine niedrig dosierte Pille verschrieben.» In den folgenden Jahren fühlte sie sich extrem nahe am Wasser gebaut, war konfliktunfähig. Marianne war auch oft lust- und energielos damals. «Ich dachte, dass das halt zum Leben dazu gehört.» Vielen ihrer Freundinnen sei es aber ähnlich ergangen, über psychische Auswirkungen seien die wenigsten aufgeklärt worden, ab und an sei etwas über das Thromboserisiko gesagt worden.
Die Antibabypille habe dennoch auch positive körperliche Auswirkungen gehabt. Sämtliche Menstruationsbeschwerden verschwanden, die Haut war rein, der Zyklus sehr regelmässig und planbar. Heute als Single verhütet sie mit Kondom. «Wenn ich wieder in einer Beziehung bin, würde ich vielleicht die neuste Spirale oder den Nuvaring ausprobieren.»
Kostenlos und hormonfreiSieben Jahre benutzte Jana* (29) den Verhütungsring und hat dabei keinerlei Nebenwirkungen verspürt. «Als ich dann aber mit meinem damaligen Freund in den Ferien eine Panikattacke bekam, wurde ich skeptisch.» Es folgten einige Wochen schlafloser Nächte, in denen sie panisch erwachte und Angst hatte zu sterben. Sie war pausenlos traurig, hatte kein Appetit mehr. Nach einem Besuch beim Frauenarzt, der ihr einen hohen Östrogenspiegel bestätigte, setzte sie den Nuvaring ab. Während eines halben Jahres plagten Jana Nebenwirkungen wie unreine Haut, Gewichtsabnahme, unregelmässiger Zyklus und Zwischenblutungen. Sie sprach mit gleichaltrigen Freundinnen darüber und schnell wurde ihr bewusst: «Fast keine setzte mehr auf hormonelle Verhütung.» Viele hätten damit schlicht keine guten Erfahrungen gemacht. Heute fühlt sie sich wieder als die Person, die sie sein wollte. Das Gefühlschaos war passé, sie konnte wieder normal essen und schlafen, hatte grosse Lust auf Sex und ein völlig neues Körpergefühl. «Seit drei Jahren lebe ich hormonfrei und kann mir nicht mehr vorstellen, wie ich meinen Körper jahrelang mit Hormonen vollpumpen konnte und mich damit freiwillig fremdlenken liess.» Unterdessen verhütet Jana mit Kondom, möchte sich jedoch die hormonfreie Kupferspirale einsetzten lassen. Einfach sei ihr diese Entscheidung aber nicht gefallen. «Es ist für mich aber die einzige hormonfreie Alternative, mit der ich mich anfreunden kann und sicher fühle.» Das Thema Verhütung liege in der Gesellschaft immer noch sehr stark und alleinig bei der Frau, da müsse unbedingt ein Umdenken stattfinden. «Ich wünsche mir, dass die Verhütung in Zukunft kostenlos, geschlechtsunabhängig und im besten Fall hormonfrei ist.» (tsc)
* Name von der Redaktion geändert.