Kantonsgericht verurteilt Äthiopier wegen Vergewaltigung zu drei Jahren

Dario Muffler | 
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Der 24-jährige Äthopier konnte seine Unschuld vor dem Kantonsgericht nicht beweisen.

Sie sagt, er habe sie vergewaltigt. Er beteuert seine Unschuld und beschuldigt sie, ihn gezwungen zu haben. Das Kantonsgericht glaubte dem Mann nicht und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe.

Es war ein Montagabend, eine damals 64-jährige Frau war auf dem Heimweg. Sie hatte getrunken, viel getrunken – um ihre Beziehungsprobleme zu vergessen, wie sie sagt. In diesem Zustand traf sie im Zug auf einen damals 22-jährigen Äthiopier. Die beiden kamen ins Gespräch. Der junge Mann führte die Frau anschliessend in seine Wohnung. Was sich dort in den darauffolgenden zwei Tagen genau abgespielt hatte, war Gegenstand des gestrigen Verfahrens vor dem Schaffhauser Kantonsgericht. Der Beschuldigte musste sich wegen Schändung, Vergewaltigung sowie wegen Diebstahls verantworten.

In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen heisst es, dass der Mann mit der Frau, die aufgrund ihrer Trunkenheit nicht urteilsfähig und zum Widerstand unfähig war, geschlafen habe. An den genauen Ablauf in der Nacht auf Dienstag konnte sich die Frau, die als Privatklägerin und Auskunftsperson am Prozess teilnahm, nicht erinnern. Einzig, dass «etwas gegangen» sei, habe sie gemerkt.

Ganz anders schilderte der Beschuldigte die Situation. «Ich wollte ihr helfen, weshalb ich sie zu mir nach Hause gebracht habe», sagte er. Er habe nicht mit ihr schlafen wollen, sie aber hätte ihm gedroht. «Wenn du nicht Sex mit mir hast, dann musst du die Schweiz verlassen», sagte er.

«Ich war wie gefangen»

Der Beschuldigte betonte zudem, dass die beiden am Mittwoch keinen Geschlechtsverkehr mehr hatten. Die Frau hingegen sagte aus, dass sie am Mittwochmorgen gegen ihren Willen zu Sex gezwungen wurde. «Ich habe bis heute nicht herausgefunden, wie es dazu gekommen ist», sagte sie. «Aber an den Vorfall erinnere ich mich.» Die Anklageschrift hält fest, dass der Äthiopier die Beine der Frau zwischen seinen Beinen einklemmte und sie dann ver­gewaltigte. An diese Szene konnte sich die Frau vor Gericht erinnern. «Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht will», sagte sie leise. Sie berichtete zudem von Schmerzen im Unterleib.

Die Frau war zu diesem Zeitpunkt nach wie vor betrunken. Und sie trank noch weiter: Sie trug dem jungen Mann auf, Zigaretten und hochprozentigen Alkohol einkaufen zu gehen. Auf die Frage von Kantonsrichter Andreas Textor, weshalb sie sich nicht aus der Wohnung entfernt habe, als sie allein war, antwortete die Frau: «Ich weiss es nicht, ich war wie gefangen.» Das traf insbesondere auf ihren psychischen Zustand zu, denn physisch konnte sie sich in der Wohnung frei bewegen, wie die Frau vor Gericht erklärte.

«Verwerfliche Absicht»

Samuel Nadig, der amtliche Verteidiger des Beschuldigten, brachte vor, dass die Aussagen der Frau nicht glaubwürdig seien: «An den Akt der Vergewaltigung kann sie sich erinnern, aber nicht an den Rest des Tages?» Er sagte zudem, dass es unglaubwürdig sei, dass ein Vergewaltigungsopfer nach der Tat weiter in der Wohnung des Täters verweile und ihn zum Einkaufen schicke. Er forderte einen Freispruch seines Mandanten.

«Die Absicht war verwerflich. Er nutzte die Situation aus, allein um seine Triebe zu befriedigen.»

Andreas Textor, Kantonsrichter

Die Staatsanwaltschaft hingegen stellte den Antrag, den heute 24-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren zu verurteilen. Davon sollten neun Monate vollzogen und der Rest bei einer Probezeit von zwei Jahren aufgeschoben werden. «Insbesondere ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschuldigte sich nicht hätte wehren können, wenn die Frau ihn zum Geschlechtsverkehr gezwungen hätte», so Staatsanwalt Richard Jezler.

Das Kantonsgericht folgte den An­trägen der Staatsanwaltschaft und verurteilte den jungen Mann. Zudem muss der Beschuldigte der Frau eine Genugtuung von 8000 Franken zahlen. Das Gremium schenkte den Erzählungen des Beschuldigten keinen Glauben. «Die Widersprüche waren offensichtlich, und die Ausführungen wurden immer fantasievoller», so Textor. Derweil spreche etwa der im Intimbereich der Frau festgestellte Riss gegen den Beschuldigten, und die Geschädigte habe keinen Grund, den Mann fälschlicherweise zu belasten, sagte Textor. «Die Absicht war verwerflich: Er nutzte die Situation aus, alleine um seine Triebe zu befriedigen.»

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