Unruhe wegen drohender CO2-Bussen

Rolf Fehlmann | 
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Luca Jaquet, portraitiert vor der Steiggarage in Beringen, am Mittwoch, 5. Mᅢᄂrz 2025. (Melanie Duchene / Schaffhauser Nachricht
«Wer einen Stromer wollte, hat einen», sagt AGVS-Präsident Luca Jaquet. «Jetzt braucht es eine gute Ladeinfrastruktur und preisgünstige E-Autos.» Bilder Melanie Duchene

Dieses Jahr müssten schweizweit deutlich mehr neue E-Autos verkauft werden, als derzeit absehbar ist. Werden die Vorgaben des Bundesrates für 2025 nicht eingehalten, drohen den Importeuren happige Bussen. Kein Wunder, brennt der Baum – auch bei den Schaffhauser Garagisten.

Gerade mal 31’000 neue Personenwagen wurden im Januar und Februar 2025 in der Schweiz und in Liechtenstein zugelassen. Damit lägen die Zulassungen in den ersten beiden Monaten «auf dem tiefsten Niveau des laufenden Millenniums», schreibt auto-schweiz, die Vereinigung der offiziellen Automobil-Importeure. Und: «Gleichzeitig ist kein markantes Nachfragewachstum nach E-Fahrzeugen spürbar.»

Luca Jaquet
«Wer einen Stromer wollte, hat einen. Jetzt braucht es eine gute Ladeinfrastruktur und preisgünstige E-Autos.»
Luca Jaquet, Präsident AGVS, Auto Gewerbe Verband Schaffhausen

Zwar sei im Vergleich zu 2024 der Marktanteil von Elektroautos und Plug-in-Hybriden leicht auf 29,5 Prozent gewachsen, aber: «Das Ziel der ‹Roadmap Elektromobilität› von 50 Prozent für das laufende Jahr bleibt so noch in weiter Ferne.» Trotz über 200 Modellen auf dem Schweizer Markt bleibe die Nachfrage nach E-Fahrzeugen «viel zu tief, um die zum Jahresbeginn um rund 20 Prozent gesenkten CO2-Zielwerte sanktionsfrei zu erreichen», schreibt auto-schweiz weiter.

Wenn die Politik jetzt nicht handle, «droht in der Schweizer Automobilwirtschaft als drittgrösster Importbranche unseres Landes ein massiver Arbeitsplatzabbau.» Anders seien nämlich die für 2025 drohenden Sanktionszahlungen von bis zu 500 Millionen Franken nicht zu stemmen.

Markt der E-Autos gesättigt? – Warum der Boom stockt

  • Angebot zu teuer und zu klein

Laut Branchenkenner Jaquet ist der Markt aktuell gesättigt – wer ein E-Auto wollte, hat längst eines. Was fehlt, sind bezahlbare Modelle zwischen 20'000 und 30'000 Franken, besonders kleine und mittelgrosse Fahrzeuge. Hier müssten Autohersteller dringend liefern. Vielleicht bringen chinesische und indische Marken neue Dynamik.

  • Ladeinfrastruktur hinkt hinterher

Ein weiteres Problem: fehlende Ladestationen. Viele Kaufinteressierte beklagen, sie könnten zu Hause oder bei der Arbeit nicht laden. Ohne Lademöglichkeiten bleibt der Umstieg unmöglich. Es brauche ein Zusammenspiel aller Akteure, um das Netz auszubauen.

  • Unrealistische Politikziele

Die «Roadmap» fokussiert einseitig auf den Anteil von E-Autos, ohne die realen Hürden zu berücksichtigen. Vorgaben allein reichen nicht, so Jaquet – sie könnten sogar negative Effekte haben

Nervosität wegen drohender Bussen

 Dieser Gedanke macht auch die Schaffhauser Garagisten nervös. Offenbar ist so viel Druck im Kessel, dass keiner der Angefragten mit Aussagen zu diesem Thema in der Zeitung zitiert werden möchte. Man wolle nicht mit diesem Thema in Verbindung gebracht werden, und schon gar nichts sagen, was dem E-Auto-Markt Schaden zufügen könnte, so der Tenor hinter vorgehaltener Hand.

Für Luca Jaquet, Garagist in Beringen und Präsident der Schaffhauser Sektion des Auto Gewerbe Verbandes Schweiz (AGVS), stellen die möglichen Sanktionen gegen die Importeure auch für die Schaffhauser Garagenbetriebe eine Herausforderung dar: «Die Sanktionen treffen zwar zunächst einmal den Importeur, doch dieser wird sie auf die Garagisten herunterbrechen.»

Und der Garagist – wird er sie an die Kunden weiterreichen? Jaquet: «Genau dagegen wehren wir uns. Dass wir hier dem Zwang ausgesetzt sind, etwas zu erreichen, das der Marktrealität zuwiderläuft. Und zwar so klar, dass die Umsetzung am Schluss an der Realität scheitert – das ist das eigentliche Problem.»

«Es könnte ans Lebendige gehen»

Stehen also die Schaffhauser Garagisten jetzt einfach unter dem Druck ihres Importeurs, um auf Teufel komm raus Elektroautos in den Markt zu drücken? Weil er kaum Handlungsspielraum habe, werde der Importeur diesen Druck mit grösster Wahrscheinlichkeit irgendwann an die Garagen weitergeben, sagt der Schaffhauser AGVS-Präsident. Zwar seien weder der einzelne Garagist noch der AGVS als Verband gegen alternative Antriebe oder gegen Elektromobilität, sagt Jaquet. Doch am Schluss sei der Garagist der Leidtragende, weil der seine Kunden ja nicht zwingen könne, ein Elektrofahrzeug zu kaufen.

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Man wehre sich gegen ein Diktat durch ein Gesetz, das Marktgegebenheiten ausblende: «Wenn die Ladeinfrastrukturen nicht vorhanden sind, können wir nicht einfach Elektroautos ohne Ende in den Markt drücken. Schliesslich leben wir von nachhaltigen Kundenbeziehungen, die wir nicht grundsätzlich aufs Spiel setzen wollen.»

Ausserdem wolle man den Leuten nicht einfach etwas aufzwingen: «Wir wollen sie beraten und ihnen das anbieten, was für sie Sinn macht und ihnen den grössten Nutzen bringt.» Zudem seien viele Garagenbetriebe KMU; und diese riskierten möglicherweise, unter dem Druck der Sanktionen ihre Existenz zu gefährden.

«Markensterben, Versorgunsengpass»

Diese drohenden Sanktionen würden den Druck auf die Schaffhauser Garagen zusätzlich erhöhen, gibt Jaquet zu bedenken, vor allem auf die KMU unter ihnen. Damit spielt er auf den Umstand an, dass es heute für Inhaber von Garagenbetrieben anspruchsvoll sei, ihre Nachfolge zu regeln und den Betrieb in jüngere Hände zu legen: «Von drei Garagen, die schliessen, findet vielleicht noch eine einen Nachfolger.»

Heisst das, dass die Versorgung mit Leistungen von Garagenbetrieben tendenziell schlechter wird? «Wenn der Druck seitens des Importeurs so gross wird», sagt Jaquet, «wird sich irgendwann jedes KMU fragen, ob es noch in der Lage ist, ‹seine› Marken weiter zu vertreten.» Eine mögliche Folge wäre ein «Markensterben» in der Region, also ein Ausdünnen der Markenvertretungen: «Stellt ein Garagist fest, dass er die Vorgaben ‹seiner› Marke nicht mehr erfüllen kann, muss er sich irgendwann fragen, ob er sich nicht besser von dieser Marke trennt.

Das ist eine Entwicklung, die wir eh schon feststellen.» Darum sei die Gefahr gross, dass am Ende des Tages der Kunde der Leidtragende dieses Sanktionsregimes ist – und zwar gleich in dreifacher Hinsicht, sagt Jaquet: «Entweder, weil er die Sanktionskosten mittragen muss, oder weil es in der Region keine Markenvertretung mehr gibt, oder weil es in seiner näheren Umgebung keine Garage mehr gibt.» 

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