Sitzbänkli-Kunst: Die SVP ist laut Stadtrat schuld, dass die Aktion erst nach den Wahlen startete

Mark Liebenberg | 
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«Subversive Kunst» oder Geldverschwendung? Die Geister scheiden sich über die Ende August lancierte Aktion «Hybride Sitzbank» der Konzeptkünstler Patrik und Frank Riklin. Bild: Keystone

Allenthalben ist kritisiert worden, dass der Startschuss zur zunächst geheimen «sozialen Kunstaktion» der Gebrüder Riklin erst nach den Stadtratswahlen im August fiel. Daran sei ausgerechnet ein SVP-Postulat schuld, schreibt der Stadtrat nun. Der Postulent, Thomas Stamm, wehrt sich gegen diese Auslegung.

Man kaufe die «Katze im Sack», meinten manche im Grossen Stadtrat, als im Budget 2024 Geld für eine «soziale Kunstaktion» gesprochen werden sollte, deren Inhalt bis zum Startschuss geheim bleiben müsse: 130’000 Franken teuer ist die Aktion «hybride Sitzbank» des Künstlerduos Frank und Patrik Riklin, welche Ende August gestartet wurde. Seither ist dem Projekt nicht sehr viel Begeisterung entgegengeschlagen – es hagelte Kritik von allen Seiten.

Der Startschuss fiel also, als das Projekt schon eine überaus kontroverse Polit-Vorgeschichte hatte. Wie viele andere auch fragte sich der parteilose Grossstadtrat Urs Tanner deshalb: Wieso fiel eigentlich der Startschuss erst nach den Stadtratswahlen vom 18. August 2024? Befürchtete die federführende Stadträtin, die Sozialreferentin Christine Thommen (SP), für sich gar Stimmenverluste, wenn die «Katze» vor dem Wahltermin aus dem Sack gelassen worden wäre?

Start war im Juni 2024 geplant

In seiner Antwort auf Tanners Anfrage schreibt der Stadtrat nun, er könne nichts dafür. «Die Auftakt-Veranstaltung für das soziale Kunstprojekt war in einer ersten Zeitplanung auf Juni 2024 vorgesehen.» Für eine Verzögerung habe ausgerechnet einer der schärfsten Kritiker des Vorhabens gesorgt: Grossstadtrat Thomas Stamm (SVP) hatte am 26. Februar das Postulat «Kunstprojekt stoppen – Honorarkosten von 90’000 Franken wurden dem Parlament vorenthalten» eingereicht. «Dadurch wurde die Planung vorübergehend gestoppt», schreibt der Stadtrat nun. «Die dadurch entstandene Verzögerung von mehreren Wochen und weitere Verpflichtungen der beauftragten Konzeptkünstler führten dazu, dass die Auftakt-Veranstaltung auf Ende August 2024 terminiert werden musste.»

«Ich musste laut lachen.» 

Thomas Stamm, Grossstadtrat SVP

Er sei mit seinem Postulat also quasi daran schuld, dass die Bänkli-Zersägeaktion nicht vor dem Wahltermin stattgefunden habe. Thomas Stamm sagt auf Anfrage: «Als ich das las, musste ich laut lachen.» Er hält die Begründung für vorgeschoben. «Von der Einreichung meines Postulats bis zu dessen Behandlung im Rat am 2. April vergingen gerade mal fünf Wochen. Davon benötigte Stadträtin Thommen zwei Wochen, um eine Copy-Paste Antwort zu schreiben.» Stamm hält es für unglaubwürdig, dass dies die Planungen für den Start im Juni derart durcheinandergebracht haben solle. «Meines Wissens sind die Künstler immer für einen Start vor den Wahlen bereit gewesen.»  Im Rat wurde Stamms Postulat relativ knapp, mit 16 zu 14 Stimmen, nicht für erheblich erklärt.

Sollen Stadträte selber blechen?

Nach dem Auftakt im August schliesslich war es die Junge SVP, die mit einer Online-Petition gegen die Kunstaktion und die «Verschleuderung von Steuerfranken» Stimmung machte. Urs Tanner erkundigte sich in seiner Anfrage auch danach, wie sich der Stadtrat zum Kernanliegen der Petition stelle: «Hat sich der Stadtrat auch schon Gedanken darüber gemacht, ob er sich aus seinem Lohnbeutelchen am Kunstprojekt beteiligen würde?»

Nein, lautet naturgemäss die Antwort. «Diese Frage stellt sich dem Stadtrat nicht.» Die finanziellen Mittel für das Kunstprojekt seien im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses vom Grossen Stadtrat genehmigt worden. Zudem sei auch die Windler-Stiftung vom Projekt überzeugt und habe sich an den Kosten beteiligt. «Mit dem sozialen Kunstprojekt investiert die Stadt Schaffhausen rund zwei Franken Steuergeld pro Einwohnerin und Einwohner in die soziale Stadtentwicklung.»

Die Sitzbank-Aktion dauert an. Laut der Schaffhauser Quartierentwicklung haben sich in den fünf Monaten seit der Lancierung insgesamt elf Personen oder Haushalte eine Sitzbankhälfte für jeweils zwei oder drei Wochen nach Hause bestellt, um darauf zu vorher vereinbarten Zeiten Fremde zu empfangen.

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