Lernen, wie es auf dem Bau abläuft

Louise Østergaard | 
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Was passiert, wenn Lernende plötzlich die Gesamtverantwortung für ein Bauprojekt übernehmen? Es wird selbstständig und professionell unter lockerer Atmosphäre gearbeitet – und alle Erwartungen werden übertroffen.

Nach weniger als drei Monaten Bauzeit wurde der «Multifunktionale Spielgeräteschopf» für die Schule Beringen am Freitag offiziell eröffnet. Das Besondere an diesem Bau? Er ist das zweite Projekt der Initiative «Lernende Bauen Zukunft» (LBZ) des Vereins der Schaffhauser Lehrbetriebe aus dem Baugewerbe «Gemeinsam gegen Fachkräftemangel» und wurde von den Auszubildenden selbstständig geplant, koordiniert und gebaut. Dementsprechend gross ist der Stolz auf den fertigen Schopf – nicht nur bei den Lernenden und deren Ausbildnern, auch bei der Beringer Schülerschaft. Diese durfte nämlich die Baustelle regelmässig besuchen, kräftig mit anpacken und konnte einen Einblick in die verschiedenen Berufsgattungen des Bauwesens gewinnen.

Elena Fischer
«Ich konnte ein tieferes Verständnis für die Arbeitsweise der unterschiedlichen Berufe, die an einem solchen Bau mitwirken, entwickeln.»
Elena Fischer Metallbaukonstrukteurin, 3. Lehrjahr, Pletscher Metallbau AG

Hand in Hand zum Ziel

Die Schule Beringen wünschte einen Stauraum für die Trottinetts, Stelzen, Skateboards und anderen Spielsachen der Unterstufe. Bald entstand die Idee, daraus einen begehbaren Schopf zu machen, in dem die Spielsachen nicht nur aufbewahrt, sondern auch gereinigt und – die elektrischen – aufgeladen werden können: dank Wasser- und Stromanschluss und einer PV-Anlage. So entstand ein Geräteschopf mit Potenzial zur Mehrfachnutzung. Nachdem das Projektgesuch der Schule Beringen geprüft und das Baugesuch durch die Lehrbetriebe eingereicht worden war, übernahmen die Lernenden den Lead. «Die Zusammenarbeit verlief erstaunlich gut, dafür, dass wir alle so was zum ersten Mal machten», erzählt die angehende Metallkonstrukteurin Elena Fischer, die den gesamten Bau leitete. Das beinhaltete die Planung des Bauverlaufs, die Erstellung der Zeitpläne, die Arbeitsverteilung und die Überwachung des gesamten Baus. Da war es wichtig, dass alle Hand in Hand arbeiteten und miteinander kommunizierten.

Laut Larina Surbeck, die als Zimmerin im zweiten Lehrjahr für die Fassade und die Unterkonstruktion des Daches zuständig war, hat das gut geklappt: «Unsere eigene Baustelle zu haben war cool – so konnten wir selbstständig arbeiten, voneinander lernen und gemeinsam Lösungen finden.» Da weder Ausgelernte noch Lehrmeister auf der Baustelle anwesend waren, galt es, Kräfte zu vereinen und gesammeltes Wissen effizient einzusetzen. Gestresst waren die Lernenden deswegen nicht – im Gegenteil: «Die Stimmung unter uns war locker und alle waren motiviert, ihren Einsatz zu leisten», erzählt die Bauleiterin. Sie selbst habe als Planerin erst lernen müssen, was die Arbeit der anderen Mitwirkenden beinhalte, um so ein tieferes Verständnis dafür entwickeln zu können, wie eine Baustelle funktioniert. Zu einem Bau gehört auch, dass mal etwas schiefläuft, doch ausser einem eingesunkenen Bagger, der mit einem Kran gerettet werden musste und kleineren Konstruktionsfehlern, die behoben werden konnten, sei alles nach Plan gelaufen.

Larina Surbeck
«Wir haben gelernt, wie man auf dem Bau arbeitet – gemeinsam Probleme zu lösen, eigenständig zu denken und miteinander zu kommunizieren.»
Larina Surbeck Zimmerin, 2. Lehrjahr, Stamm & Meyer Holzbau AG

Verantwortung, die motiviert

Für Nick Steinemann, der sich im zweiten Lehrjahr in der Ausbildung zum Sanitärinstallateur befindet, habe das Projekt eine willkommene Möglichkeit dargestellt, sein Können zu erweitern, aber auch, sich in der Planung zu üben. «Wir organisierten uns selbstständig untereinander, so habe ich vieles mit dem Strassenbauer besprochen, um den Gartenhahn zu installieren.» Gleichzeitig konnte er durch die intensive Zusammenarbeit detaillierte Einblicke in die Arbeiten anderer Berufe erhalten.

Mit der Freiheit zur Selbstständigkeit gehen eben auch Eigenverantwortung und Motivation einher, wie dieses Projekt eindrücklich verdeutlicht.

Nick Steinemann
«Wir haben uns selbstständig untereinander organisiert. Das hat auch geholfen, mehr über die anderen Berufe auf dem Bau zu lernen.»
Nick Steinemann, Sanitärinstallateur, 2. Lehrjahr, Bollinger GmbH

Anreize für Bauberufe schaffen

«Das Ziel der LBZ-Projekte ist es ja auch, Schülerinnen und Schülern, die vor der Berufswahl stehen, einen Einblick in die Bauberufe zu geben», erzählt Maurerlehrling Luca Weber, der für Abbau-, Fundament- und Betonierungsarbeiten am Geräteschopf zuständig war. «Ich hätte mir noch mehr Schülereinsätze gewünscht, denn diejenigen, die dabei waren, konnten wir begeistern», sagt er. Einer davon war der 15-jährige Levy, der am Fundament mitarbeiten durfte und dazu sagt: «Das würde ich sofort wieder machen.» Auch der 14-jährige Schüler Cedric half mit und habe bei der Arbeit viel Spass gehabt: «Ich durfte helfen, Armierungseisen zu legen und habe vieles über die Arbeit auf dem Bau gelernt – toll!» Einige Schulklassen besuchten die Baustelle während des regulären Unterrichts und konnten sich vor Ort ein Bild verschiedenster Berufsgattungen machen – vom Baumeister über den Solarbauer bis zum Zimmermann waren zehn verschiedene Berufe der Baubranche involviert.

Luca Weber
«Die Schulklassen konnten uns auf der Baustelle besuchen, Fragen stellen und mitmachen. So bekamen sie vielleicht selbst Lust auf einen Beruf in der Baubranche.»
Luca Weber Maurer, 3. Lehrjahr, Gloor AG

«Indem Lernende Schülern ihre Ausbildung in realen Bauprojekten näherbringen, schaffen wir Interesse für unsere Berufsgruppe – eine Win-win-Situation», erklärt Thomas Bollinger, Geschäftsführer der Thomas Bollinger GmbH, der gemeinsam mit den Betrieben Pletscher Metallbau AG, Moretti Maler AG, Bernath Elektro AG, Gloor AG Bauunternehmung, Stamm & Meyer Holzbau AG und Cellere Bau AG den Verein ins Leben gerufen hat. Bereits das erste LBZ-Projekt hatte im Sommer 2023 Wellen geschlagen: Der Verein war Hauptsieger des Prix Visions, dem Förderpreis für die Schaffhauser Berufsbildung, der mit einem Preisgeld Projekte unterstützt, die durch ihren innovativen Charakter neue Impulse in der Lehrlingsausbildung geben.

Das Dronenvideo der LBZ zeigt die aktuellsten Bilder: Die Eröffnung des "Multifunktionalen Spielgeräteschopfs" war ein Erfolg. Reger Besuch, begeisterte Schülerinnen und Schüler und wohlverdienter Stolz aller Lernenden, die am Bau beteiligt waren. 

Ihr Projekt könnte das nächste sein

Sie haben selbst eine Idee für ein gemeinnütziges Bauprojekt im Raum Schaffhausen? Auf der Webseite der LBZ Schaffhausen können Gesuche gestellt werden. Schulen, insbesondere Oberstufe und Berufswahlklassen, Vereine mit Jugendförderung wie Sportvereine, Musikvereine oder auch kirchliche Jugendgruppen ohne konfessionelle Abgrenzung werden aufgerufen, ihre Ideen einzureichen. Jährlich wird ein Projekt realisiert, welches über ein Auswahlverfahren gewählt wird. Der Bau sollte keinen wirtschaftlichen Interessen unterliegen und insgesamt unter 40 000 Franken kosten. Der Verein «Gemeinsam gegen Fachkräftemangel», der die Innovation «Lernende bauen Zukunft» ins Leben gerufen hat, freut sich auf zukünftige Umsetzungen spannender Ideen.

Kontakt

LBZ – Lernende Bauen Zukunft
Web: www.lbz-sh.ch
E-Mail: lernendebauenzukunft@gmail.com

Logo LBZ

 

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