Über dem Limit – wenn der Stress krank macht

Iris Fontana | 
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Kernpunkte der Burn-Out Prävention sind Beziehung und ein offener Dialog auf Augenhöhe. Bild: unsplash

Sie machen Schlagzeilen, all die kürzlich publizierten Studien zu Arbeitsgesundheit, psychischen Erkrankungen und Stress. Neben dem Leid des Einzelnen ist die Zunahme der Fallzahlen auch für Unternehmen finanziell eine grosse Herausforderung. 6.5 Milliarden Franken beträgt der volkswirtschaftliche Schaden. Höchste Zeit also, aktiv zu werden. Wie dies gehen könnte, erklärt die promovierte Psychologin Nadja Abt Gürber.

Glaubt man Umfragen, sind wir Schweizer ziemlich kaputt. Die CSS-Gesundheitsstudie 2023 beispielsweise zeichnet das Bild einer erschöpften Nation: 36 Prozent der Befragten gaben zur Auskunft, sich im vergangenen Jahr häufig krank gefühlt zu haben. Zwei Drittel davon klagten über Müdigkeit und Erschöpfung. Die «NZZ am Sonntag» hat kürzlich darauf hingewiesen, dass ein Angestellter heute im Schnitt 9,3 Tage im Jahr wegen Krankheit oder Unfall fehlt: ein Allzeithoch und ein Anstieg von 50 Prozent gegenüber 2012. Auffällig dabei ist die Zunahme von psychischen Krankheiten. So zeigt die im letzten Monat erschienene Arbeitsmarktstudie der AXA auf, dass psychisch bedingte Arbeitsausfälle bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im vergangenen Jahr um 20 Prozent zugenommen haben. Was Firmen dabei besonders aufhorchen lassen sollte: Über 50 Prozent aller psychischen Arbeitsunfähigkeiten werden durch Konflikte am Arbeitsplatz ausgelöst.

Prävention am Arbeitsplatz

Wie brisant das Thema ist, ist selbstverständlich längst auch in Schaffhausen angekommen. Die Pius Schäfler AG widmete ihm nicht umsonst ihren ersten Fokus-Zmorge, der am vergangenen Dienstag stattfand (siehe Box). Als Expertin lud das Unternehmen die Psychologin Nadja Abt Gürber ein, die die Besucher auf verständliche Weise über «Stress-Burnout-Prävention am Arbeitsplatz» informierte. Wir vom Zahltag hörten gespannt mit.

Nadja Abt Gürber

Abt Gürber

Dr. phil. Nadja Abt Gürber ist promovierte Psychologin und Coach, spezialisiert auf Stress-Burnout-Prävention und Resilienzförderung. Nach ihrem Studium in Zürich promovierte sie in Bern und forschte an der Pädagogischen Hochschule St.Gallen. In ihrer Praxis in Lanzenneunforn begleitet sie heute Erwachsene, Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zur Resilienz.

Digitale Transformation macht Sorgen

Als Ursachen der negativen Entwicklung nannte Abt Gürber unter anderem die Veränderung in der Arbeitswelt: Schnelleres Tempo, angeheizt auch durch die digitale Transformation, demografischer Wandel und steigender Wettbewerbsdruck. Dabei erleben Menschen diesen Wandel unterschiedlich: Die einen finden einen positiven Umgang damit, andere hingegen reagieren verunsichert, erleben Stress und Ängste. Und das kann zu psychischen Erkrankungen führen. Um hier Gegensteuer zu geben, ist es gemäss Abt Gürber wichtig, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter aktiv begleiten und sicherstellen, dass bei allen Veränderungen stets der Mitarbeiter als Mensch im Fokus bleibt.

Auf Frühwarnsignale achten

Ein grosses Problem besteht laut Abt Gürber unter anderem darin, dass Betroffene oft viel zu spät Hilfe holen. Auch hier kann der Arbeitgeber unterstützen, indem die Vorgesetzten sensibel genug sind, um Frühwarnsignale zu erkennen. Körperliche Signale können etwa sein, wenn der Mitarbeiter über Herzklopfen oder chronische Müdigkeit klagt, aber auch wenn die Gereiztheit zunimmt und Unzufriedenheit allgegenwärtig ist (eine ausführliche Übersicht der Signale findet sich hier). In diesem Bereich können Präventionsworkshops hilfreich sein, in denen gelernt wird, Warnsignale früh zu erkennen und anzusprechen.

Es gibt Lösungen

Zuweilen allerdings nützt jede Prävention nichts. Doch auch dann ist die Situation nicht ausweglos: Negativen Entwicklungen ist man, so sagt Abt Gürber, nicht einfach hilflos ausgeliefert, man kann etwas tun. Beispielsweise durch Stärkung der Resilienz, der eigenen psychischen Widerstandskraft gegenüber Stress und Krisen. Grundlage dafür ist der Dialog, ein offener Austausch auf Augenhöhe, Interesse, Empathie, Respekt und Wertschätzung. Wichtiges Anliegen der Führungskraft muss es also sein, dafür zu sorgen, dass der Dialog jederzeit möglich ist.

Verletzte Werte machen krank

Denn letztlich ist die Beziehung der Schlüssel. Ein Burn-Out entsteht durch eine fehlende oder konfliktreiche Beziehung zu sich selbst, anderen oder allgemein dem Leben gegenüber. Werden die eigenen Werte verletzt, beispielsweise durch fehlenden Respekt oder Wertschätzung, löst dies eine Kränkung aus. Und Kränkungen machen krank. Sie führen zu innerem und äusserem Konflikt. Besteht ein Konflikt, fliesst die gesamte Energie des Betroffen in die Konfliktbewältigung, was wiederum erschöpft.

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Massnahmen auf zwei Ebenen ansetzen

Im Kontext der Arbeitswelt empfiehlt Abt Gürber Massnahmen auf zwei Ebenen anzugehen:

Unternehmensebene: Das Unternehmen soll in Verhältnisprävention investieren, zum Beispiel Arbeitsbedingungen optimieren. Da der Beziehungsaspekt zentral ist, ist es in erster Linie wichtig, ein gutes Arbeitsklima zu fördern. Es soll ein «Vertrauensraum» geschaffen werden. Basis dafür ist der Dialog.

Ebene der Einzelperson: Die Verhaltensprävention liegt in der persönlichen Verantwortung jedes einzelnen. Ziel ist es, die persönlichen Ressourcen zu stärken aber auch Stressbewältigungsstrategien aufzubauen, wenn nötig mit Hilfe von Einzelcoachings. Führungskräfte können hier unterstützend wirken.

Stress und Burn-Out

Was ist Stress eigentlich? Zum Verständnis hilft das Bild der Stresswaage. Auf der einen Seite sind Ressourcen, die uns Kraft und Energie geben. Auf der anderen Seite finden sich Belastungen, die Kraft und Energie rauben. Bei Stress kippt die Waage auf die Seite der Belastungen.

Stress

                                                                       Grafik: Dr. Nadja Abt Gürber


Dabei ist Stress ein subjektives Gefühl. Was die einen als Belastung empfinden, kann beim anderen belebend wirken. Problematisch wird es, wenn es zu Dauerstress kommt, das heisst zu einem länger anhaltenden Ungleichgewicht zwischen Anforderungen (Belastungen), die an einen Menschen gestellt werden, und den Mitteln (Ressourcen), die ihm zur Bewältigung dieser Anforderungen zur Verfügung stehen. Dies macht auf die Dauer krank, körperlich, seelisch wie auch geistig.

In diesem Zusammenhang taucht dann der Begriff Burn-Out auf. Burn-Out ist ein Erschöpfungszustand, in dem Betroffene nur noch funktionieren. Burn-Out gilt selbst nicht als psychische Erkrankung, sondern als Syndrom, das heisst als Sammelbegriff von psychosomatischen Symptomen. Diese lassen sich in folgende drei Gruppen aufteilen, die dabei gleich auch als Merkmale eines Burn-Outs gelten:

Burn-Out

                                                                                                                              Grafik: Dr. Nadja Abt Gürber

Fokus-Zmorge der Firma Pius Schäfler AG

Der Fokus-Zmorge der Firma Pius Schäfler AG hat zum Ziel, sich am frühen Morgen auf unkomplizierte Weise zu einem Netzwerkaustausch zu treffen. Quasi als «Kundenevent mit Benefit» möchte die Schaffhauser Filiale – nach der erfolgreichen Lancierung in St. Gallen – die Eventreihe auch bei uns im Kanton zum Fliegen bringen. Inhaltlich wird dabei das Thema «New Work» in seiner ganzen Breite durch verschiedene Input-Referate behandelt. Und zwar zwei bis dreimal pro Jahr in überschaubarem Rahmen.

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