Von ganz unten nach ganz oben – ein Lehrstück über Motivation

Am 19. September wird Heinz Frei in der Swiss Marketing Arena Schaffhausen als Marketing Star im Bereich Motivation ausgezeichnet. Doch woher bezieht die Sportlegende mit 35 paralympischen Medaillen, 14 Weltmeistertiteln und 112 Marathonsiegen ihre Motivation? Im Interview verrät uns Frei seine Kernbotschaften, die er an Seminaren Führungskräften aus der Wirtschaft weitergibt. Eine davon: Nur was hart erarbeitet ist, macht wirklich zufrieden.
Herr Frei, woher beziehen Sie Ihre Motivation?
Heinz Frei: Das ist vielschichtig. Meine Geschichte konfrontierte mich mit den Tiefen des Lebens, führte aber auch dazu, dass ich heute meine Motivation aus einer tiefen Dankbarkeit und Demut beziehe: Aus der Einsicht, was aus meinem Leben, das ich einst abgeschrieben hatte, wieder alles entstehen konnte. So musste ich nach meinem Unfall keinen einzigen zusätzlichen Tag mehr im Spital verbringen, was für einen Paraplegiker alles andere als selbstverständlich ist. Ich lebe heute mit viel Lebensfreude und habe eine gute Lebensqualität. Ich muss nicht mehr mit dem Schicksal hadern und mich mit der Warum-Frage abquälen.
Aber so eine beeindruckende Erfolgsgeschichte fusst wohl nicht allein auf positivem Denken…
Frei: Nein, natürlich nicht. Ein Leben als Paraplegiker erfordert viel Disziplin und Eigenverantwortung und selbstverständlich musste ich viel Fleiss und Einsatz für den Sport aufbringen, um alle diese Auszeichnungen zu erlangen. Dass mir dies gelungen ist, erachte ich als Privileg. Die glänzendste Medaille ist für mich jedoch nicht die aus Edelmetall, sondern, dass ich den Biss hatte, meinen Weg so zu gehen – mit allem Glück und eigenem Dazutun. Denn Stolz und Zufriedenheit stellen sich dann ein, wenn man etwas hart erringen musste, nicht bei dem, was einem einfach so in den Schoss fällt.

Mit 20 Jahren wurden Sie mit der Diagnose konfrontiert, dass Sie nie mehr werden gehen können. Was hat diese Nachricht mit Ihnen gemacht?
Frei: Schon an der Unfallstelle verspürte ich Schock. Und als der Arzt mir dann die Diagnose Querschnittlähmung mitteilte, erlosch noch der letzte Funke Hoffnung, ungeschoren aus der Sache herauszukommen. Ich ging durchs Tal der Tränen, verlor mein Selbstwertgefühl, meine Perspektiven – alle Wünsche, Hoffnungen, Sehnsüchte, die man mit 20 Jahren hat, zerbrachen. Ich durchlebte alle Phasen der Trauer: Perspektivlosigkeit, Wut, Unverständnis, Hadern mit dem Schicksal, Selbstmitleid, bis hin zur Todessehnsucht. Ich denke, dass diese Phasen zu einem gesunden Verarbeitungsprozess gehören – immer verbunden mit der Hoffnung, dass der Lebensmut und eine neue Perspektive obsiegen werden.
Wie haben Sie es geschafft, von diesem Nullpunkt aus zu einem der erfolgreichsten Spitzensportler der Schweiz zu werden?
Frei: Bei mir war es die Erkenntnis: «Ich will Hoffnung haben, ich brauche eine Perspektive, ich muss aus dieser Situation das Beste machen» – ohne dabei zu wissen, was das Bestmögliche alles beinhalten wird. Wesentlich war, diese Phasen nicht alleine durchmachen zu müssen. Meine Familie stand solidarisch an meiner Seite, aber auch Freunde und Kollegen haben mich unglaublich unterstützt. Das löste in mir den Mechanismus aus, Stärke zu zeigen und äusserte sich in der Motivation, das Bestmögliche zu versuchen. Der Weg war steinig und erforderte Ausdauer. Hilfreich war dabei sicher meine angeborene positive Grundhaltung dem Leben gegenüber, wie auch die erwähnten Portionen Biss und Hartnäckigkeit sowie ein Auflehnen gegen Abhängigkeiten. So sagte ein Rennkollege über mich: «Mached mir de Frei nid verruckt, suscht wird er gfährlich.» Unter dem Strich begann eine riesige Entdeckungsreise der Noch-Möglichkeiten.
Haben auch Sie ab und zu ein Motivationstief?
Frei: Ja klar, auch ich kenne Momente, in denen ich einen Umstand zuerst einmal absacken lassen und eine Nacht darüber schlafen muss. Um das Tief zu überwinden, mache ich mir dann Gedanken, wie ich den Auslöser für das Tief nun positiv einordnen kann und welche Vorwärtsstrategie ich verfolgen soll. Manchmal rede ich auch zu mir selber und sage meinem (fiktiven) inneren Henry: «Henry, so geht das nicht. Jetzt müssen wir uns zuerst wieder einmal erden.» Habe ich dann den Ausweg gefunden und schaue zurück, ist das sehr befriedigend.
Seit ein paar Jahren sind sie ja auch als Speaker tätig und halten Seminare für Führungskräfte. Wie lautet Ihre Hauptbotschaft im Bereich Mitarbeiterführung?
Frei: Während meiner Zeit im Spital hatte ich ein prägendes Erlebnis. Und zwar lag ich zusammen mit fünf andern jungen Männern in einem Zimmer des Paraplegikerzentrums Basel als der Chefarzt auf Visite kam. Auf seine Frage, wie es uns gehe, antworteten wir nicht allzu enthusiastisch. Da ermahnte er uns und sagte: «Giele, ihr wisst schon, das zwischen den Ohren da, das ist von der Querschnittlähmung nicht betroffen», um in militärischem Ton fortzufahren: «Bitte nutzt das.» Deshalb ist es mir so wichtig, zu vermitteln, dass es zentral ist, bei sich selbst zu beginnen. Und zwar am besten mit einer Selbstanalyse zu den vier folgenden Fragen: «Wer bin ich? Was habe ich für Stärken? Kenne ich meine Schwächen? Wie gehe ich mit meinem Personal um?» Diese Analyse ist wichtig, weil sie Fokussierung ermöglicht und man so die Mitarbeiterführung besser vorbereitet angeht.
Können Sie das konkretisieren?
Frei: Das zwischen den Ohren umfasst alles, was wir sehen, hören und verarbeiten. Aus all diesem Input gilt es, konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Ich appelliere an die Führungskräfte, sich wirklich eine konkrete Situation im Alltag mit den Mitarbeitenden vorzustellen. Wenn sie dies tun, sind sie nämlich mental vorbereitet. Ein Mentaltrainer ist letztlich nur dann gut, wenn sein Schützling das Gelernte auch tatsächlich umsetzen kann. Er muss fähig sein, selbst zu handeln und eigene Werte zu definieren. Erst wenn das geschafft ist und die Führungskraft auch mit sich selbst im Reinen ist, kann sie anderen Kraft und Inspiration weitergeben.

Viele Mitarbeiter fordern von Führungskräften, mehr für die Motivation im Betrieb zu tun. Müsste da nicht jeder bei sich selbst anfangen, bei der intrinsischen Motivation?
Frei: Im Bereich der intrinsischen Motivation ist es zentral, als Führungskraft ein Vorbild zu sein: Nicht selber Wein trinken und Wasser predigen. Wenn man als Vorbild unterwegs ist, hat man eine Wirkung und es gelingt, zu agieren und nicht bloss zu reagieren. Und das birgt wohl die grösste Chance, einen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen. Es setzt Energien frei, welche die intrinsische Motivation der eigenen Mitarbeiter überhaupt erst hervorkitzelt und alle zusammen über sich selbst herauswachsen lässt. Wichtig ist, dass am Schluss alle auf den gemeinsam erreichten Erfolg stolz sind.