Überraschung im Fall Brian: Der berühmte Häftling kommt Freitag um 10 Uhr frei

Andreas Maurer | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare
Brian Keller auf seinem Instagram-Kanal. Bild: screenshot/instagram

Letzte Woche stand Brian wegen 30 Delikten vor Gericht. Heute hat das Bezirksgericht entschieden: Zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe.

Der Gerichtspräsident Marc Gmünder (FDP) verkündet das Urteil. Er erklärt Brian in der Mehrheit der 32 Fälle für schuldig. In einigen Fällen spricht er ihn frei. Das Gericht verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Das ist viel weniger als vom Staatsanwalt beantragt.

Dann folgt die Überraschung: Der Gerichtspräsident verkündet, dass Brian am 10. November 2023 um 10 Uhr aus der Sicherheitshaft entlassen wird. Nach sieben Jahren Haft kommt er in Freiheit.

Beim schwersten angeklagten Delikt handelt es sich um einen Vorfall im Gefängnis Pöschwies. Brian schleuderte ein Bruchstück eines zerschlagenen Sicherheitsglases in die Richtung der leicht geöffneten Tür. Ein Abpraller traf einen Aufseher an der Stirn. Das Gericht stuft dieses Delikt nur als einfache Körperverletzung ein, nicht aber als versuchte schwere Körperverletzung. Brian habe nicht davon ausgehen können, dass er den Aufseher am Kopf trifft, meint der Richter.

Wurde Brian gewalttätig, weil er sich wegen zu harter Haft in einem Notstand befand? Der Gerichtspräsident sieht das nicht so. Die Gewalt habe schon viel früher begonnen. Er beginnt mit Akten aus dem Kinderhort, als Brian sieben Jahre alt war. Schon damals habe Brian zugeschlagen. Später habe er ein Mädchen in der Mittelschule «karatemässig an die Brust gekickt». Seine Gewalt gefährde die anderen Kinder, heisse es in den Schulakten. Oft habe er ohne Grund zugeschlagen.

Was der Richter damit sagen will: Die Ursache des Problems hat Brian bei sich selber zu suchen.

Im Erwachsenenalter kam Brian in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies. Es ist das Gefängnis, wo die brutalsten und gefährlichsten Straftäter landen, wie der Richter betont. Brian habe dort das «Ende der Fahnenstange» erreicht. Er habe randaliert, Aufseher angegriffen und mit Kot um sich geworfen. So kam er während dreieinhalb Jahre in Einzelhaft. Eigentlich ist diese nur für 15 Tage lang erlaubt. Der Gerichtspräsident sagt: «Diese Haft war klarerweise nicht korrekt.»

Im Strafrecht müssen aber Ursache und Wirkung auseinandergehalten werden, sagt der Richter. Die Verteidiger würden nur die halbe Wahrheit erzählen, wenn sie dem Gefängnis die Schuld für seine Taten geben. Brian habe der Pöschwies nämlich schon vorher den Krieg erklärt, auch schon im Regionalgefängnis Burgdorf.

Die JVA Pöschwies habe nur von ihm verlangt, dass er sich an die Anstaltsregeln halte. Brian habe stattdessen einen gewalttätigen Weg gewählt und den Krieg erklärt.

Auf Dauer habe das restriktive Regime Brians Verhalten allerdings beeinflusst. Er sei hoffnungsloser geworden.

Das Gericht anerkennt keinen «rechtfertigenden Notstand», weil sich Brian nicht für ein höherwertiges Interesse einsetze. Die unkorrekten Haftbedingungen würden keinen Angriff auf die Aufseher rechtfertigen. Es handle sich auch nicht um einen «entschuldbaren Notstand», weil sich Brian auf einem anderen Weg hätte wehren können, auf dem Rechtsweg.

Nun erklärt der Richter, warum Brian aus der Sicherheitshaft freikommt. Die Staatsanwaltschaft hat eine Verlängerung beantragt.

Es geht um die Frage, ob Wiederholungsgefahr besteht. Der Gutachter stellte eine ungünstige Prognose in einem Setting ohne Strukturen und Kontrolle.

Die Verteidigung legte dem Gericht ein Konzept vor. Ein Sozialpädagoge solle Brian auf seinem gewünschten Weg zum Profiboxer begleiten. Das Motto: «Brian schlägt nur im Boxring zu, aber nicht ausserhalb.»

Der Richter stellt fest, dass sich Brian im Gefängnis inzwischen angepasst hat und an die Regeln hält. Brian habe in den letzten Jahren keine Möglichkeit gehabt, sich in Freiheit zu beweisen. Es bestehe zwar eine gewisse Wiederholungsgefahr, doch eine Sicherheitshaft wäre nicht mehr verhältnismässig, erklärt der Richter.

Brian sitzt seit sieben Jahren in Haft, weil zwei Strafverfahren gegen ihn laufen. Bei beiden geht es um Vorfälle in der Pöschwies. Das erste Verfahren ist noch nicht rechtskräftig, weil das Bundesgericht ein Urteil zurückgewiesen hat. Das Gericht geht davon aus, dass Brian die zu erwartende Gesamtstrafe bald abgesessen habe. Deshalb kommt er nun frei. Nach sieben Jahren im Gefängnis soll er nun eine Chance erhalten. Sein Team hat nun 48 Stunden Zeit, um Vorbereitungen zu treffen.

Der Richter warnt: «Er muss sich bewusst sein, dass neuerliche Gewalthandlungen wieder zu einer Haft führen würden.»

Nach vielen Jahren beginne im Fall Brian nun ein neues Kapitel, sagt der Richter. Er beendet die Urteilsverkündung mit einem Appell:

«Alle, die sich für ihn persönlich interessieren, sollten sich nun auch um ihn kümmern. Es wird nicht einfach werden.»

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren