Zenrätsel, Seelen, Schönheit und Wodka

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Ein gutes Buch zur rechten Zeit ist immer ein guter Ferienbegleiter – ob daheim, in der Badi oder auf Reisen. Aus dem Riesenangebot von Romanen, Biografien oder Krimis hat die SN-Redaktion einiges ausgesucht.

Im «Garten der Mondseufzer»

Wie ein sanftes Lied kommt das Buch «Namiko» von Andreas Séché daher, ziemlich unaufgeregt, aber dafür ist die Botschaft umso eindringlicher. Als der deutsche Reporter, sein Name wird nie wirklich genannt, nach Kyoto reist, um über die Gartenkunst zu schreiben, ahnt er nicht, dass er für eine ziemlich lange Zeit in Japan bleiben wird. In einem der Gärten lernt er die Studentin Namiko kennen, eine Frau, die mit Flüstern ihren Worten eine grosse Intensität verleiht. Sie zeigt ihm nicht nur die Geheimnisse des «Gartens der Mondseufzer», sondern entführt ihn auch immer wieder mit ihrem Traktor aufs Land. Wegen ihr wird der Reporter in Japan bleiben, bis sie letztlich wieder getrennt werden. Oder vielleicht doch nicht? Nun mag man vielleicht einwenden, dass es diese halb philosophischen Japan-Romane schon zuhauf gibt. Das Buch von Séché hat aber etwas unglaublich Zärtliches, etwas Ehrliches. Gleichzeitig wird dem Leser auch die Bedeutung von «Koans», also Zen-Rätseln, auf wunderbare Art nähergebracht. Das alles macht das Buch sehr lesenswert. (mcg)

Das Überleben eines Flugzeugabsturzes

Weihnachten 1971. Das Flugzeug, in dem Juliane Koepcke sitzt, wird von einem Blitz getroffen, stürzt ab. 91 Menschen sterben, auch Koepckes Mutter. Die 17-Jährige überlebt als Einzige. Auf ihrer Sitzbank angeschnallt erwacht sie im Amazonasgebiet, durch das sie sich zehn Tage lang kämpfen muss, bis sie gerettet wird. Erst 40 Jahre nach diesem Ereignis schreibt die Deutsche ihre unglaubliche Geschichte auf. «Als ich vom Himmel fiel», nennt Koepcke das Buch und beschreibt darin neben ihren Erinnerungen an den Absturz auch ausführlich ihre Kindheit. Sie wuchs als Tochter zweier Biologen in Peru auf – zum Teil lebte die Familie in einer Forschungsstation im Urwald. Wer eine reine Verarbeitungsgeschichte des Absturzes erwartet, dürfte von dem Buch enttäuscht sein. Wer Berichte über die Natur Südamerikas und das Leben zwischen zwei Welten spannend findet, dürfte Freude daran haben. Und wer in die Ferien fliegt, sollte vielleicht noch nicht im Flugzeug anfangen zu lesen. (sba)

Kommissarin Bossi, übernehmen Sie!

Es muss ja nicht immer ein Krimi oder ein Beziehungsroman sein – wieso in der Badi, auf der Parkbank oder auf Reisen nicht ein inspirierendes Kochbuch in die Hand nehmen? Genauer: eines der praktischsten, die sich derzeit in den Bücherauslagen befinden. Klar, der erste Gedanke bei Betty Bossis «Gemüselust – neu entdeckt» ist: «Ächz, das dreihundertfünfundzwanzigste Vegibuch, jetzt muss die alte Tante auch noch auf dieses Züglein aufspringen!» Doch weit gefehlt! Zwar fällt das klassische, spiessige Ringheft zwischen all den prächtigen Vegan-, Slow-Food- und Gesundheits-RohkostHype-Büchern in der Kochbuch-Ecke nicht besonders auf. Aber: Die Rezepte sind niemals (na gut: selten) trivial, sie gelingen immer und vor allem: Ich muss nicht wie bei Ottolenghi & Co. in den Nahen Osten reisen, um die Zutaten zu finden. Auf zum originellen Tanz rund ums Gemüse! Wer liesse sich nicht von Rezepten wie Bundzwiebel-Quiches, Fave-Bohnen-Crostinis, Tomaten-Granita und Federkohl mit Roquefort-Polenta zum Komponieren eines schmackhaften (und gesunden) Gemüsesommermenüs inspirieren? (lbb)

Wie «Shrek», aber ganz anders

Im Bilderbuch «Shrek» und in den Animationsfilmen bieten klassische Märchen den Stoff, aus dem Humor fabriziert wird. Etwas Ähnliches macht die junge amerikanische Zeichnerin Noelle Stevenson auch in «Nimona», einer Graphic Novel, die ihren Ursprung in einer Cartoonserie im Internet hat. Nimona lebt in einem Märchenkönigreich. Sie ist eine Gestaltwandlerin, die beim Erzbösewicht Ballister Blackheart als Gehilfin anheuert. Blackhearts fiese Pläne werden normalerweise vom edlen Ritter Ambrosius Goldenloin vereitelt, doch durch Nimonas stürmische Art gerät das Gleichgewicht im Königreich ins Wanken. «Nimona» ist eine sehr unterhaltsame Parodie auf Märchen, Fantasy und Science-Fiction-Literatur. Der Zeichenstil ist einfach, aber ausdrucksstark. Der Humor entwickelt sich oft daraus, dass die Figuren zwar in einer Märchenwelt leben, aber sehr rigide Vorstellungen über ihre Möglichkeiten haben, die dann von Nimona über den Haufen geworfen werden. Letztlich versteht es das leichtfüssige Buch, erstaunliche Emotionen zu wecken. (dj.)

Ironisches über die Seele Russlands

Die Sowjetunion in den 1970er-Jahren: Das war für Journalisten eine Zeit voller Kompromisse. Diese muss der junge Journalist Dowlatow, der denselben Namen wie der Autor trägt, am eigenen Leib erfahren. Er schlägt sich als Mitarbeiter einer Parteizeitung in Tallinn halbherzig durchs Leben. Immer wieder eckt er in seinen Zeitungsartikeln an und kritisiert zwischen den Zeilen das damalige Regime. Das kommt bei den linientreuen Chefs schlecht an, und so muss Dowlatow öfter mal den Job wechseln. Im Buch, das an fiktiven Zeitungsartikeln aufzeigt, wie die russischen Uhren damals tickten, vermischen sich Fiktion und Realität. Der russische Autor Sergej Dowlatow arbeitete selbst als Journalist und hat wohl so manche selbst erlebt Anekdote in seinem Werk abgehandelt. Das Buch über russische Schönheiten, viel Wodka und bärbeissige Parteisoldaten liest sich luftig-leicht – für die Sommertage wie gemacht. (uc)

Lässigkeit à la française

Seit dem Bestseller «How To Be Parisian wherever you are» ist Anne Berest ein Begriff. Dass sie mehr ist als Trendsetterin und Stilikone, die viel von Mode versteht, weiss man in Frankreich längst, und sie beweist mit «Emilienne oder die Suche nach der perfekten Frau» erneut, dass sie auch beim Schreiben Stil hat. Emilienne träumt davon, vollkommen zu sein, allen Ansprüchen zu genügen, und sieht genau das in ihrer Nachbarin Julie, was sie selbst gern wäre: perfekte Mutter, Karrierefrau und Gastgeberin. Doch als deren schöne Fassade zusammenbricht, hat Emilienne genug und fragt sich, ob es die Super- Überfrau gibt, die alles kann, schön ist, eloquent, charmant und gebildet … Non, beschliesst sie und macht sich auf eine sehr spezielle Tour de France, wo sie die unterschiedlichsten weiblichen Wesen kennenlernt und feststellt: Perfekt ist, wer sich treu bleibt und sein eigenes Leben lebt. Berests facettenreiches Spiel mit Rollenbildern und Tabubrüchen ist kein feministisches Manifest, sondern ein Buch, das sich spielerisch mit dem Thema Frau befasst, charmante Denkanstösse gibt und unterhält. Ein frisches Sommerbuch mit Tiefgang. (efr.)

 

Zeitreise in das jüdische Warschau

Reb Meschulam Moschkat, Oberhaupt einer vielköpfigen Familie und gewiefter Geschäftsmann, kehrt von einer Kur nach Warschau zurück, begleitet von seiner dritten Frau. Mit dieser überstürzten und allseits als skandalös empfundenen Heirat beginnt der Untergang der Familie Moschkat. Dem mächtigen, stadtbekannten Patriarchen steht der junge, weltabgewandte Euser Heschel Bannet gegenüber, der aus dem Schtetl nach Warschau gekommen ist, um zu studieren. Dort heiratet er eine Frau, die er nicht liebt, zieht mit ihr in die Schweiz und kehrt schliesslich nach Warschau zurück, zu Hadassa, seiner wahren Liebe. Die Geschichte und ihre Protagonisten im Warschau der Vorkriegsjahre ist eine beeindruckende Angelegenheit: Atmosphärisch und temporeich macht Isaac Bashevis Singer diese unwiederbringlich verlorene Welt erlebbar. Man ist beim Lesen mitten drin im Geschehen, hat teil an Festen und Katastrophen und fährt in der Pferdekutsche durch das weite polnische Land. «Die Familie Moschkat» ist das Opus magnum des jiddisch schreibenden Isaac Bashevis Singer. 1902 wurde er in Leoncin geboren und zog 1906 mit seinen Eltern nach Warschau. Bereits 1935 wanderte er nach Amerika aus. 1978 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur zugesprochen. Er starb 1991 in Florida. (Wü.)

Düstere Abgründe der Bankenwelt

Wie weit geht man, um die Wahrheit über eine Sache ans Tageslicht zu bringen? In Martin Suters Roman «Montecristo» bezahlt ein Journalist sogar mit dem Tod dafür. Ähnlich wäre es beinahe auch dem Protagonisten der Geschichte, Jonas Brand, gegangen. Er ist ebenfalls Journalist und schnuppert am wohl grössten Bankenskandal der Geschichte, in den so ziemlich alle grossen Player des Finanzplatzes verwickelt zu sein scheinen. Und alles beginnt ganz unscheinbar mit einer Notbremsung im Intercity zwischen Zürich und Basel. Eine Szene, anhand deren Suter ein ganzes Milieu beschreibt – das der Pendler. Relativ rasche Szenenwechsel zwischen den verschiedenen Schauplätzen der Geschichte ziehen sich durch den Roman. Dank der präzisen und unverblümten Sprache geht dabei aber nicht etwa der Fluss verloren, vielmehr wird man regelrecht hineingezogen. Suter tischt mit «Montecristo» einen spannenden und noch immer aktuellen Thriller auf, der aufgrund seiner fundierten Recherche nicht nur Verschwörungstheoretikern gefallen dürfte. Dass der Wirtschaftskrimi auf Platz eins der Bestsellerliste war, beweist das. (dmu)

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