Diese Schaffhauser ruderten sich 1936 zu zwei Olympiamedaillen – binnen weniger Stunden
1936 fanden die Olympischen Spiele in Berlin statt. Tausende Athleten massen sich in ihren jeweiligen Disziplinen. Die meisten gingen ohne eine Medaille um den Hals nach Hause. Drei Schaffhauser hingegen gewannen Edelmetall – mehrmals sogar.
Früher war alles besser? Nicht zwingend. So war etwa der Sport und auch die Olympischen Spiele nicht so anerkannt, wie sie heute sind. Das Olympische Komitee der Schweiz bettelte etwa 1936 um Geldspenden, damit man die Spitzensportler nach Berlin schicken konnte. Sponsoren, wie man sie heute kennt, gab es damals nicht.
Auch die Organisation war anders – man könnte fast sagen: brutal. Das mussten etwa die Schaffhauser Ruderer-Brüder Homberger erfahren, als sie 1936 für die Schweiz antraten.
Kontroverse Spiele
Im Jahre 1936 blickte die Welt nach Berlin. Die Olympischen Spiele damals gelten bis heute als wohl die kontroversesten der Neuzeit. Die Welt war zu Gast beim Nazi-Regime, welches sich in den drei Jahren seit der Machtergreifung mit Rassismus, Ausgrenzung und Gewalt gegen Andersdenkende hervorgetan hatte. Die Spiele ’36 sollten nun der Welt ein anderes Bild von Deutschland zeigen, ein «Propagandabild». Perfekte Organisation, weltoffene Spiele, die durch ein «missverstandenes Regime» durchgeführt wurden.
49 teilnehmenden Nationen mit 3961 Athleten stellten, trotz mehrere Boykottaufrufe, einen neuen Teilnehmerrekord auf.
Die Schweiz trat mit 174 Athleten an, darunter die Brüder Homberger, Alexander (Alex), Rudolf und Hans. Die gebürtigen Schaffhauser hatten ihre Disziplin im Rudersport. Alex und Hans traten zusammen im Vierer mit und ohne Steuermann an, Rudolf sass mit ihnen im Achter mit Steuermann. Vor allem Alex und Hans waren mit hohen Erwartungen angereist, nannte man sie und ihre Mitruderer doch den «Wunder-Vierer».
Gold im Visier
Nach einem dominanten Vorlauf auf der Regattastrecke Berlin-Grünau erwartete die Fachwelt Gold von den Eidgenossen im Finale am 14. August 1936. Als um 14.30 Uhr das Rennen startete, lagen die Schweizer eine ganze Weile vorne, der «Wunder-Vierer» zeigte, was in ihnen steckte.
Allerdings hatte der Gastgeber Deutschland etwas gegen den Sieg der Eidgenossen. Ungefähr nach der Hälfte der Strecke konnten die deutschen Ruderer das erste Mal die Führung übernehmen und liessen sich diese auch nicht mehr nehmen.
Von Anfang war klar, dass es zwischen diesen beiden Teams um Gold ging. Wie dominant die beiden Mannschaften waren, sieht man an den Zeiten: Die Deutschen hatten am Ende 19 Sekunden auf Rang 3, die Schweizer elf.
Drei Wettkämpfe binnen vier Stunden
Damit war der Tag aber noch nicht vorbei: Ein paar Stunden später mussten die Homberger-Brüder erneut rudern, denn um 17 Uhr standen die Finalläufe des «Vierers ohne Steuermann» an. Eigentlich die Paradedisziplin der Homberger-Brüder, allerdings hat sie zu diesem Zeitpunkt schon einen anstrengenden Wettkampf in den Armen. Der dritte Rang, den sie am Ende belegten, zeigt die Fähigkeit der Schweizer Ruderer.
Wer denkt, dass die Homberger-Brüder jetzt ausgelassen feiern konnten, schliesslich hatten sie gerade zwei Medaillien binnen drei Stunden gewonnen, kennt die straffe Organisation bei diesen Spielen aber nicht. Nicht einmal eine Stunde sassen die beiden, dieses Mal zusammen mit Bruder Rudolf, zum dritten Mal an diesem Tag in ihrem Boot. Um 18 Uhr stand das Final des «Achters mit Steuermann» an.
Das dritte Rennen binnen vier Stunden – es kam, wie es kommen musste: Die Top-Ruderer der Schweiz hatten in diesem Lauf kaum noch die Kraft, sich gegen die ausgeruhte Konkurrenz durchzusetzen. Mit mehr als 10.4 Sekunden Rückstand kamen sie als Letzte über die Ziellinie.
Ein «Wunder», wenn auch kein schweizerisches, gab es an diesem Tag trotzdem. Sieger wurden, völlig überraschend, die Amerikaner, deren Sieg später als «Wunder von Berlin» von George Clooney verfilmt wurde.
Weg vom Rudern, hin zur Industrie
Für die Brüder war es der erste und letzte Einsatz an olympischen Spielen. Nachdem sie Berlin mit zwei Medaillen verlassen hatten, zogen sie sich mehr und mehr aus dem Rudersport zurück.
Hans übernahm nach dem Tod seines Vaters Ernst Jakob Homberger als letzter privater Eigentümer die Leitung der Uhrenmanufaktur IWC in Schaffhausen. Unter seiner Leitung entwickelt das Unternehmen mehrere Uhrenmarken, die bis heute zum Sortiment der Firma gehören.
Sein Bruder Alex wanderte in die USA aus, nachdem er an der ETH in Zürich sein Ingenieursstudium beendet hatte. In Kalifornien gründete er seine eigene Firma, die später von der Georg Fischer AG (GF), deren Präsident des Verwaltungsrats Vater Ernst bis 1954 war, übernommen wurde. Später begründete er mehrere Kunststiftungen.
Rudolf verschlug es ebenfalls zur GF. Nach seinem Ingenieursstudium heuerte er bei dem Unternehmen als Oberingenieur an, wurde 1953 Direktor der Maschinenfabriken Schaffhausen und Brugg und später Verwaltungsratspräsident der Firma.