Ein Meter Schnee und 20 Grad unter Null: Der Schneewinter 1941/42 in Schaffhausen

Ralph Denzel | 
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1941/42 kam es zu einem richtig heftigen Winter in Schaffhausen - mit fast einem Meter Schnee fast Minus 20 Grad. Bild: Stadtarchiv Schaffhausen

Sie freuen sich derzeit über die weisse Landschaft? Vor 77 Jahren war das noch gar nichts. Mitten im Zweiten Weltkrieg kam es zu einem enorm heftigen Wintereinbruch - der monatelang dauerte.

Endlich ist es winterlich in Schaffhausen. Heute freuen sich die Leute schon, wenn die Dächer der Altstadt mit einer leichten Schneeschicht bedeckt sind – 1942 hätten die Menschen in der Stadt gejubelt, wenn es nur eine kleine Schneeschicht gewesen wäre. 1942 war einer der schwersten Winter, den die Stadt Schaffhausen jemals erlebt hatte – wir blicken zurück auf einen Meter Schnee auf den Dächern, gefrorene Ernten und knapp -20 Grad Celsius.

Als der Winter das Leben während des Krieges zusätzlich schwer machte

Schon Anfang Oktober merkten viele, dass dieses Jahr anders sein könnte. Der Zweite Weltkrieg tobte noch immer in Europa und auch Schaffhausen bekam die Entbehrungen zu spüren. Männer waren für die Grenzverteidigung abgestellt, die Sorge um die Zukunft war allgegenwärtig – dann fielen die ersten Flocken vom Himmel.

Auch während des Zweiten Weltkrieges mussten viele Schaffhauser die Grenze sichern. Bild: Wikimedia

Schon zuvor war das Jahr aber extrem, wie die «Schaffhauser Nachrichten» 1941 schreiben. Einem sehr späten und nicht wirklich warmen Frühling folgt ein eher milder Sommer und ein kühler Herbst. Betrachtet man Klimamodelle von dieser Zeit sieht man: Über Europa und auch der Schweiz fielen im Jahr 1941 die Temperaturen untypisch tief, bereits im Juni, und erholen sich auch nicht mehr wirklich bis zum brutalen und kalten Winter 1941/42.

Bauern beschrieben die Zeit damals wie folgt: «Das Wetter war lange schön und ermöglichte ein ergiebiges Arbeiten auf den Äckern, in den Obstgärten, Gemüsepflanzungen und Reben. Dennoch kam der erste Schneefall überraschend und für die Bauern viel zu früh.» Viele hatten nicht rechtzeitig genug Futter eingelagert, oder ihre Ernte war schlicht noch nicht reif genug. Das war besonders tragisch in dieser Zeit: Durch den Weltkrieg war die Versorgung der Bevölkerung auch dadurch gewährleistet, in dem man selbst Fussballfelder als Anbauflächen auswies.

Eine Möglichkeit an Nahrung zu kommen: Die Wochenmärkte. Bild: SH-Archiv

Das sollte unter anderem die Unabhängigkeit der Bevölkerung gewährleisten. Nun aber, da die meiste Nahrung unter Schnee begraben war, erfror ein Grossteil des Obsts und Gemüses, oder wurde schlecht: «Das noch an den Bäumen hängende Spätobst ist durch die kalten Nächte an den meisten Orten hart gefroren», so der Stadtrat im Jahr 1941. «Ein Urteil über das Ausmaß der Schädigungen ist vorläufig nicht möglich. Pflückt man jedoch das Obst in gefrorenem Zustande, so treten Druckschäden ein, die nach dem Auftauen zu rascher Fäulnis führen. Es ist deshalb trotz der Gefahr von weiteren kalten Nächten zu empfehlen, Äpfel und Birnen an den Bäumen zu lassen, bis sie aufgefroren sind.»

Schon früh kam es zu einem, teils heftigen, Wintereinbruch. Bild: Stadtarchiv

Aber die Bauern und auch die Bevölkerung hatten noch weitere Probleme. «Der Mehranbau zeigt sich auch bei den Herbstarbeiten als bedeutende zusätzliche Arbeitslast.» Durch die Kälte, die den Boden durchfrieren lies, «kommt es, dass noch nicht überall alle Kartoffeln gegraben sind. Von den Runkelrüben ist der kleinste Teil eingebracht», schreiben die «Schaffhauser Nachrichten» im November 1941 besorgt. «Spätes Obst hängt auch noch an den Bäumen, und im Gemüsegarten sollte ebenfalls noch viel Ware abgeerntet und für die Einwinterung oder den Verkauf hergerichtet werden. Man kann nur hoffen, dass nach diesem Kälteeinbruch bald wieder schöne Spätherbsttage folgen, damit die restlichen Herbstarbeiten doch noch bei einigermaßen günstigen Wetter- und Bodenverhältnissen abgeschlossen werden können.»

Aber nicht nur das Gemüse leidet unter dem heftigen Winter: Auch für die Tiere wird es schwierig, wie die SN schrieben: So habe «der frühe Schneefall […] auch für die Viehfütterung neue Verhältnisse geschaffen.» Glücklich waren die Bauern, die «vorher möglichst viel Herbstgras, das nicht zum Weiden benötigt wurde, einsiliert» hatten. Denn im November 1941 konnte viel Herbstgras «kaum mehr ausgenützt werden und ist als Viehfutter verloren.»

Für die Tiere bedeutet dass Mangelernährung und teilweise Notschlachtungen, da man sie nicht versorgen kann – was sich wiederum negativ für die Bevölkerung auswirkte. Vögel und Wildtiere leiden besonders: «Die dichte Schneedecke, welche nun schon die sechste Woche auf Wald und Flur liegt, hat die Vogelwelt in große Not gebracht. Während die kleineren Sänger vor den Fenstern ausgestreute Nahrung finden, ist der Tisch der weniger zutraulichen Vögel äußerst spärlich gedeckt. Unter den aufgefundenen verhungerten Vögeln finden sich Bussarde, Fischreiher, Saatkrähen, Eichelhäher und Goldhähnchen», heisst es in der SN Ende 1941.

Aber: «Infolge der gegenwärtigen Lebensmittelknappheit ist es kaum möglich, für die Fütterung der größeren Vögel ausreichende Mengen an Abfallfleisch und gesottenen Kartoffeln zur Verfügung zu stellen.»

Was im November 1941 jedoch kaum jemand wusste: Es sollte noch schlimmer kommen in den nächsten Monaten.

Mehr als ein Meter Schnee in Schaffhausen

Die ersten Flocken fielen bereits im Oktober. Teilweise sogar mehre Zentimeter. Aber wirklich starker Schneefall, zusammen mit extrem kalten Temperaturen, gab es dann im Dezember. In der Weihnachtszeit kam ein arktisches Tiefdruckgebiet in Richtung der Schweiz und sorgte dafür, dass die Stadt unter eiskalten Temperaturen schlottern muss. Aufzeichnungen zeigen, dass die Tiefsttemperaturen beim -15,9 Grad liegen, andere Quellen sprechen sogar von -19 Grad an Weihnachten 1941. An diesem Tag begann es zu schneien – und wie.

Auf diesen Aufnahmen aus dem Jahr 1941 sind die Bäume nicht zugeschneit - sondern bei -19,5 Grad vereist. Bild: Stadtarchiv SH

MeteoNews beschreibt in seinen Archiven die Situation vor Ort wie folgt: «Nach einem neuen Kaltlufteinbruch am 25., der der Nordostschweiz einige Niederschläge brachte, blieb das Wetter bis ans Monatsende kalt bei wechselnder Bewölkung und Schneefällen am 27. und 31. Dezember.» Einige Niederschläge ist hierbei allerdings ziemlich euphemistisch beschrieben. Durch die bittere Kälte bleibt der Schnee nicht nur liegen, sondern es kommt auch immer neuer dazu – so dass binnen kurzer Zeit sage und schreibe ein Meter Schnee in der Stadt lag. Ein weiteres Problem war auch hier: Viele Männer waren zu diesem Zeitpunkt im Dienst an der Grenze – und fehlten somit ebenfalls in der Heimat. Schneeräumdienste fuhren fast Pausenlos um die Strassen halbwegs passierbar zu machen. An den Rändern türmten sich die Schneemassen fast mannshoch.

Der Herrenacker im Winter 1941/42 unter einer dicken Schneedecke. Bild: SH-Archiv

In den Archiven der SN wird immer wieder von Schneefällen, teils heftig, teils weniger stark, in der Zeit von Januar 1942 bis März berichtet. So gibt es Berichte, wonach Mitte Januar in Hallau 30 Zentimeter Neuschnee fallen – auf die schon liegenden Massen von knapp 40 – 50 Zentimetern.

Der Untersee gefriert Mitte Januar, nachdem im Schnitt über mehrere Tage unter zehn Grad Minus gemessen werden. Das ist damals allerdings eher normal: Laut Aufzeichnungen fror der See auch 1940, 41, 42, 45 und 47 zu.

Weiss, weiss, weiss, wohin das Auge reicht. Bild: Stadtarchiv Schaffhausen

In Der Stadt hielten sich die Schaffhauser meistens in der Wohnung auf, wo es oft, auch durch die Rationierung, an Heizmaterial wie Holz und Kohle fehlte. Wie viele Opfer die Kälte forderte, ist jedoch nicht mehr nachvollziehbar.

«Drückt den Arbeitslosen Pickel und Schaufel in die Hand»

Noch bis im Februar liegt der Schnee in Schaffhausen, allerdings stiegen die Temperaturen auch wieder ab und an etwas – was zu einem neuen Problem führte: Schneeschmelze. So veröffentlichten die Schaffhauser Nachrichten im Jahr 1942 einen Aufruf der «Schweizerische Zieglerverband» wonach «infolge der großen Schneefälle und des zwischendurch auftretenden Tauwetters» die «Schneeschicht aus den Dächern in den unteren Lagen gefroren» sei. «Mit dem Gefrieren der Schneeschicht direkt über der Dachhaut sind ebenfalls die Rinnen und Abfallrohre mit Eis verstopft.» Daher sollten die Schaffhauser dringend die «Dächer von Schnee und Eis durch Fachleute, wie Dachdecker und Spengler» freiräumen lassen, da es sonst bei einsetzendem Tauwetter «plötzliche Wasserandrang auf den Dächern» kommen könnte.

Die Dächer waren schwer von Schnee beladen - hier allerdings schon etwas abgetaut. Bild: Stadtarchiv SH

Auch in Neuhausen hat man mit den Schneemassen und deren Entsorgung zu kämpfen. So schreibt ein Leser der SN Ende Februar 1942: «In Neuhausen sind die Straßen vom Schneepflug meistens gut fahrbar gemacht, auch die Gehwege sind gangbar, doch ist dadurch der Schnee nun meistens meterhoch über die Rinnsale getürmt und so die Ablaufschächte ihrer Bestimmung entzogen […] Darum sollten schon jetzt die Einläufe geöffnet werden.» Das Problem, gleich wie in Schaffhausen: «weil dazu aber zu wenig Gemeindearbeiter vorhanden sind, drückt den Arbeitslosen Pickel und Schaufel in die Hand, damit sie mithelfen» den Schnee zu entsorgen. Der Leser befürchtete, dass Neuhausen sonst zu «einem Venedig wird.»

Selbst im März lag noch Schnee – und erst im April waren die Massen langsam abgeschmolzen.

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Kommentare (1)

Rolf Schwab Di 08.01.2019 - 10:52

Grüezi Herr Denzel
Kann ich diesen Artikel auch in Papierform erhalten? Ebenso den
Artikel über die Schaffhauser Kristallnacht?
Besten Dank.

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