Lügengebilde
Es war ein langer Weg, auf dem es sogar der juristischen Brechstange bedurfte, bis endlich auf den Tisch gekommen ist, was bestimmte Mitglieder des Schulrates und dessen Präsidentin Katrin Huber mit aller Macht unter Verschluss halten wollten: Im Schulhaus Alpenblick waren Lehrpersonen über die Entwicklung zweier Familien sehr besorgt.
Es war ein langer Weg, auf dem es sogar der juristischen Brechstange bedurfte, bis endlich auf den Tisch gekommen ist, was bestimmte Mitglieder des Schulrates und dessen Präsidentin Katrin Huber mit aller Macht unter Verschluss halten wollten: Im Schulhaus Alpenblick waren Lehrpersonen über die Entwicklung zweier Familien sehr besorgt und suchten mit ihren Befürchtungen Hilfe bei der inzwischen abgewählten Schulrätin Nathalie Zumstein. Dazu gab es durchaus Gründe: Die Väter verweigerten den Lehrerinnen unter anderem den Handschlag, die zahlreichen Besuche der Eltern auf dem Pausenhof sorgten für Unruhe, eine zunehmende Weigerung, an schulischen Aktivitäten teilzunehmen, wurde bei den Kindern festgestellt. Befürchtet wurde nichts weniger als eine Radikalisierung der Familien. Das ungute Gefühl der erfahrenen Lehrpersonen ist eine völlig richtige Reaktion, ebenso die nachfolgende Kontaktaufnahme und die Abklärung mit der Polizei. Das zeigt auch, dass man die Situation als ernst eingestuft hat. Das eigentliche Problem begann damit, dass die Beteiligten im Schulrat die Sache unter allen Umständen unter dem Deckel halten wollten – und dafür auch bereit waren, Unwahrheiten zu verbreiten.
Vom Vertuschen zur Verletzung der Wahrheit
Eine erste Grenze überschritten wurde, indem auf wiederholte Nachfragen jegliche Kenntnis von entsprechenden Vorfällen abgestritten oder kleingeredet wurde – und dies im Wissen um die tatsächliche Situation. Ein Satz aus dem Protokoll des Stadtschulrates vom 7. September ist dabei besonders entlarvend: «Wenn etwas an die Öffentlichkeit gelangt, wird die Sache nur grösser und nützt der Schule nichts.» Notabene: Reines Schweigen in den heiklen Punkten, das manchmal dazu dient, die Involvierten zu schützen, wäre für die Beteiligten noch immer ein gangbarer Weg gewesen. Doch man wählte einen anderen: Nachdem die Versuche, eine Berichterstattung zu unterbinden, nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatten und die SN in der Ausgabe vom 30. September die Verunsicherung im Schulhaus Alpenblick in einem Artikel thematisiert hatten, entschied man sich dafür, in einem an die Schüler verteilten Elternbrief die Wahrheit zu bestreiten. Und ging dazu über, die Fakten zu vertuschen: Die SN-Berichterstattung wurde als falsch dargestellt, wortreich wurde versichert, dass im Schulhaus Alpenblick alles bestens sei. Inzwischen ist klar: Der Artikel war korrekt, ja die dem Schulrat bekannten Fakten gingen sogar noch über den Artikel hinaus. Mit dem Elternbrief, der vom Vorsteher und von der zuständigen Schulrätin Zumstein unterzeichnet wurde, wird nicht einfach eine Berichterstattung kritisiert, damit wurden die Eltern und die Öffentlichkeit bewusst getäuscht. Heute, im Licht der mühsam erstrittenen Schulratsprotokolle, wissen wir: Viele der Äusserungen im Brief entsprachen nicht den Fakten. Mehr als der Vorsteher steht dabei seine Vorgesetzte Zumstein im Fokus, die das Schreiben mitunterzeichnet hat. Unklar bleibt, ob die Schulpräsidentin vom Elternbrief wusste, Fakt ist aber, dass sie auch nach dessen Veröffentlichung nicht eingeschritten ist.
Seit Anfang März klar wurde, dass die SN Zugang zu den Protokollen des Schulrates erhalten würden, wussten die Beteiligten, dass ihre Vertuschungsversuche ans Licht kommen würden. Vor diesem Hintergrund ist die Pressekonferenz vom letzten Donnerstag zu verstehen: Nach zahlreichen Versuchen der Obstruktion war das der verzweifelte Versuch, sich aus der Sackgasse zu retten, in die man sich selbst gebracht hat. Während das Manöver als solches überaus durchsichtig ist, stellen sich darüber hinaus Fragen: Wie glaubwürdig ist die Aussage, im «Alpenblick» sei alles bestens, nachdem die Schulratsprotokolle das doppelte Spiel entlarvt haben? Es wäre gewinnbringender gewesen, die Lage im «Alpenblick» sauber aufarbeiten zu lassen – wenn nötig auch von externer Stelle. Doch offenbar wollen die Beteiligten ihre Verweigerungshaltung aufrechterhalten.
Es ist klar: Die Vorfälle im «Alpenblick» sind nicht vergleichbar mit jenen im Bachschulhaus. Denn die Causa Alpenblick erweist sich vor allem als eine Causa Stadtschulrat. Es bleibt die Frage, ob tatenlos zugesehen werden kann, wenn gewählte Amtsträger Unwahrheiten verbreiten. Aufsichtsbehörde über den Schulrat ist der Erziehungsrat: Es wäre an der Zeit, dass dieses Gremium, welches die umstrittenen Schulratsprotokolle aufgrund des Akteneinsichtsgesuchs genau kennt, einschreitet und für Ordnung sorgt. Das ist man den Lehrpersonen, den Eltern und der staunenden Öffentlichkeit schuldig.