Warum es wichtig ist, Flugzeuge zu füllen

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Der Mercedes musste ins Flugzeug.

Über den Wolken: Markus Müller über Kurzstreckenflüge und «keine Starterlaubnis ohne Mercedes»

Mein erster Linienflug war mit der DC-9 von Zürich nach Basel. Der kurze Erstflug im schnellen Jet war stressig. Im Flugtraining in Malta konnte man wenn nötig die Platzrunde verlängern oder den Fluglehrer fragend anschauen. Mit Passagieren im Rücken war das nicht mehr möglich und dem Fluglotsen war es egal, ob ein «Lehrling» am Steuer sass. Im Gegenteil – er offerierte einen Sichtanflug, da wenig Verkehr war. Der ist von Piloten mit mehr Erfahrung sehr begehrt. Überhaupt flogen wir damals die kaum zehn Minuten dauernde Kurzstrecke nach Basel oft. Das ist heute umstritten und bringt wegen der Sicherheitskontrollen auch kaum Zeitgewinn. Es war eigentlich nie sinnvoll, hätte die Politik ihre Hausaufgaben gemacht und Schienennetz und Rollmaterial entsprechend aufgerüstet. Das ist bis heute nicht geschehen, im Gegensatz etwa zu China. In Schanghai fliegt man im Anflug parallel über der Schnellbahn.

«Die enorme technische Entwicklung und der Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln wird weit- gehend aus­geblendet.»

Der Zug ist deutlich schneller. Umsteigen fällt so leicht, zudem die Bahnhöfe im Zentrum liegen. Noch kürzer war der Flug mit der DC-10 von Kinshasa – damals Zaire, heute Demokratische Republik Kongo – nach Brazzaville mit einer Luftlinie von 30 Kilometern über einen Fluss hinweg. Es war eine Herausforderung für den Flight Engineer, mit den Checklisten fertig zu werden, zudem wir noch extra Gas gaben, um früher beim Feierabendbier zu sein. Weitere Kurzstrecken waren Rio – Sao Paulo, Lomé – Accra, Malabo – Douala, Douala – Yaoundé oder Accra – Abidjan. Leider sind diese mit spannenden, abenteuerlichen Aufenthalten bereicherten Flüge mit der Übernahme durch Lufthansa weggefallen. Es waren ideale Trainingsstrecken bei oft kritischen Wetterbedingungen, mit rudimentären oder gar falschen Unterlagen und schlechter Infrastruktur. Die kurze Bodenzeit wurde strapaziert durch Fracht wie Früchte und Tiere. Während der häufigen Gewitter darf zudem niemand ans Flugzeug. Diskussionen unseres Security-Personals mit Passagieren und ­Behörden endeten oft im Cockpit.

Ein Mercedes wurde reinbugsiert

Fehlte ein wichtiger Lokalpassagier – oder sein Gepäck –, wurde die Startbewilligung einfach zurückgehalten, bis er im Flugzeug sass. In Dar es Salaam stand ein grosser Mercedes auf einem Trolley. Als wir realisierten, dass dieser in den Frachtraum unserer MD-11 sollte und uns eröffnet wurde, dass es ohne Mercedes keine Starterlaubnis gebe, war eine massive Verspätung offensichtlich. Ein Heer einheimischer ­Ladearbeiter drückte und riss am Auto herum und es gelang tatsächlich, die Frachttore zu schliessen. Solche Fracht und kurze Flugstrecken sind heute im Zuge der Klima-Diskussion umstritten. Fliegen ist in den genannten Ländern allerdings oft die einzige Verbindung. Der CO2-Vorwurf an die Fliegerei ist, abgesehen vom wirklichen Stellenwert, einseitig. Die enorme technische Entwicklung und der Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln wird weitgehend ausgeblendet. Mit der A340 von Hongkong nach Zürich haben wir für 10 600 Kilometer 88,8 Tonnen Kerosin verbrannt und 28 000 Tonnen Luft durch die Triebwerke getrieben. Das tönt nach sehr viel. Auf den einzelnen Passagier heruntergebrochen sind es 383 kg Brennstoff und 1193 kg ausgestossenes CO2. Die B777 braucht bereits deutlich weniger. Ein Auto müsste mit 4,5 Litern auf 100 km auskommen, abgesehen davon, dass es noch lange nicht am Ziel wäre. Wäre in Hongkong noch ein zusätzlicher Passagier dazugekommen, so hätte das lediglich zu einem Mehrverbrauch von 29,5 kg Kerosin geführt und es wären 92 kg mehr COx ausgestossen worden. Grund ist, dass die Beförderung des schweren Flugzeugs mit der grossen Anfangsmenge an Brennstoff den grössten Teil der Energie benötigt. Deshalb ist es sinnvoll, die Flugzeuge zu füllen. Sogar mit Früchten und ­Gemüse, was häufig kritisiert wird.

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