Seltene Pflanzen für mehr Vielfalt im Ackerbau

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In diesem Mischanbau wachsen Gerste und Linse nebeneinander. Bild: Gabriela Brändle

Der vermehrte Anbau seltener Kulturpflanzen bietet Vorteile für die Umwelt und die Ernährung, bedarf aber des Überwindens einiger Hindernisse entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Von Alexander Zorn und Yannik Schlup

Die Schweizer Landwirtschaft produziert Nahrungsmittel von hoher Qualität. Obwohl die Vielfalt verfügbarer Kulturpflanzen sehr gross ist, dominieren heute wenige Kulturen den Ackerbau: Vorwiegend werden Weizen, Gerste und Mais sowie Raps, Zuckerrüben und Kartoffeln angebaut. Eine grössere Vielfalt an Kulturpflanzen bringt jedoch Vorteile für die Pflanzengesundheit, den Bodenschutz, die Biodiversität, die Ernährungssicherheit und auch die Anpassungsfähigkeit der Landwirtschaft an den Klimawandel. Vielfalt kann folglich die Resilienz erhöhen, das heisst, die landwirtschaftlichen Anbausysteme werden robuster und anpassungsfähiger.

Die pflanzliche Vielfalt des Schweizer Ackerbaus kann auf vielfältige Weise erhöht werden. Der Anbau wenig verbreiteter Kulturen, wie Ackerbohnen oder Hafer, erweitert die Fruchtfolge. Dies geschieht auch mit dem Anbau von Zwischenkulturen oder Gründüngungen zwischen zwei Hauptkulturen. Eine weitere Möglichkeit ist die gemeinsame und zeitgleiche Kultivierung verschiedener Kulturen auf einem Feld, beispielsweise der Mischfruchtanbau von Hafer und Linsen. Schliesslich ermöglicht der Anbau von Staffelkulturen die zeitlich versetzte, sich überlappende Kultivierung verschiedener Arten.

Es mangelt an Wissen

Zur Erhöhung der Kulturpflanzenvielfalt müssen verschiedene Herausforderungen überwunden werden. Häufig fehlen einschlägiges Wissen und die praktische Erfahrung. Diese Wissens- und Erfahrungslücken ziehen sich durch die gesamte Wertschöpfungskette, von der Züchtung über den Anbau, die Erntetechnik, die Vermarktung, die Verarbeitung bis hin zum Konsum. Diese Lücken betreffen auch die Beratung und Lehre, was den wirtschaftlichen Anbau und die Vermarktung seltener Kulturen erschwert.

Entsprechend vielfältig sind aber auch die Möglichkeiten, die Situation zu verbessern. Die Forschung kann Wissenslücken schliessen. Wichtig ist hierbei auch der internationale Austausch von Erfahrungen und Saatgut. Das europäische Projekt Cropdiva, das zum Ziel hat, sechs unterrepräsentierte Ackerkulturen vermehrt auf die Felder zu bringen, bietet dafür ein gutes Beispiel.

Beratung und Lehre sind Multiplikatoren für dieses Wissen. Innerhalb der Landwirtschaft haben Verbände und Branchenorganisationen als Bindeglied zwischen Erzeugung und Abnehmern die Möglichkeit, Handelsstandards zu etablieren und die Kosten des Handels, die sogenannten Transaktionskosten, wenig etablierter Kulturen zu senken.

Etablierung seltener Kulturen

Der Aufbau von Wertschöpfungsketten erfordert anfangs Ressourcen, bis eine kritische Marktgrösse und damit verbundene Grössenvorteile erreicht werden. Dazu müssen verschiedene Akteure der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten, um beispielsweise mithilfe von Labels wertvolle Eigenschaften der neuen Lebensmittel hervorzuheben und zu kommunizieren. Durch agrarpolitische Massnahmen und die schon bestehenden Einzelkulturbeiträge wird die Etablierung seltener Kulturen und Anbausysteme unterstützt.

Das Interesse und die Aufgeschlossenheit der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten für eine pflanzenbetonte Ernährung, auch für seltene Kulturpflanzen, sind vorhanden. Dieses Potenzial gilt es gemeinsam zu nutzen, um die Vorteile eines vielfältigeren Anbaus auszuschöpfen und zur Transformation des Schweizer Ernährungssystems beizutragen.

*Alexander Zorn forscht bei Agroscope im Bereich Nachhaltigkeitsbewertung und Agrarmanagement. Yannik Schlup arbeitet ebenfalls bei Agroscope im Kompetenzbereich Pflanzen und pflanzliche Produkte.

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