Was Bundesbern gegen Gewalt an Frauen tut

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Die Sensibilisierung für Gewalt an Frauen ist gewachsen – es bleibt aber noch viel zu tun. Bild: KEYSTONE/DPA/Jonas Walzberg

Im Bundeshaus war zu Beginn der Session der Bericht über den Fall von Fabienne W. aus Schaffhausen allgegenwärtig. Die Empörung über die erschreckenden Bilder der geschlechtsbezogenen Gewalt ist gross.

von Martina Munz*

Die Bevölkerung zeigte ihre Solidarität mit der gewaltbetroffenen Frau an der gut besuchten Kundgebung vor dem Schaffhauser Polizeigebäude. Die Äusserungen von betroffenen Frauen an der Kundgebung machten deutlich, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Geschlechtsbezogene Gewalt ist ein strukturelles Problem. Behörden, Politik und die Gesellschaft sind gefordert.

Gewisse Fortschritte wurden erzielt. Die Sensibilisierung für Gewalt an Frauen ist gewachsen. Das verdanken wir der langjährigen Arbeit von NGOs und mutigen Aktivistinnen. Die Änderung des Sexualstrafrechts in der letzten Legislatur brachte einen Paradigmenwechsel. Neu handelt es sich nicht mehr bloss dann um Vergewaltigung, wenn jemand ein Opfer mit Gewalt zu Sex zwingt. Sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person sind strafbar. Auch die Vergewaltigung in der Ehe ist zum Offizialdelikt geworden. Doch es bleibt noch viel zu tun.

Auch Frauen ohne Schweizer Pass schützen

Der Opferschutz muss Schritt um Schritt verbessert werden. Der Nationalrat hat in der Sommersession eine Gesetzesänderung beraten, die Frauen ohne Schweizer Pass besser vor häuslicher Gewalt schützt. Heute werden Betroffene in der Regel des Landes verwiesen, wenn sie sich wehren und die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat. Die Frauen verharren in gewalttätigen Beziehungen, um keine Wegweisung zu riskieren. Die Gesetzesänderung stärkt auch die Rolle von Opferhilfestellen und Frauenhäusern. Dort ist eine Verbesserung geplant: Eine 24-Stunden-Hotline für Gewaltopfer soll noch dieses Jahr in Betrieb gehen.

Geschlechtsbezogene Gewalt ist ein strukturelles Problem.

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Im Kampf gegen Menschenhandel, Genitalverstümmelung und Zwangsprostitution sollen Mädchen und junge Frauen die Opferberatung offen stehen, auch wenn die Gewalttat im Ausland verübt wurde. Ein entsprechender Vorstoss hat der Nationalrat in dieser Session bereits zum zweiten Mal klar unterstützt, obwohl er vorher im Ständerat versenkt wurde. Der Nationalrat will zudem den Kinderehen einen Riegel schieben. Diese können gemäss Nationalratsbeschluss bis zum 25. Altersjahr aufgelöst werden und nicht wie bisher nur bis zur Volljährigkeit. Damit sind Mädchen besser geschützt, die kurz vor ihrem 18. Geburtstag in den Ferien verheiratet werden.

Der Schaffhauser Fall zeigt zudem eine weitere Gesetzeslücke, die wir in der Bundesgesetzgebung schliessen müssen. Einer Person muss geholfen werden, wenn sie an einer Party misshandelt oder vergewaltigt wird. Heute kann unterlassene Hilfeleistung nur bestraft werden, wenn das Opfer in Lebensgefahr schwebt. Eine parlamentarische Initiative von Tamara Funiciello «Unterlassene Hilfestellung konsequent bestrafen» ist im Nationalrat einstimmig angenommen worden. Doch der männerdominierte Ständerat hat auch diesen Vorstoss ohne Diskussion abgelehnt. Jetzt ist der Ball wieder beim Nationalrat, der auch ein zweites Mal das Anliegen unterstützen wird. Das Beispiel zeigt: Es spielt sehr wohl eine Rolle, wie hoch der Frauenanteil in einem Rat ist!

Behörden müssen umdenken

Und auch die Behörden müssen umdenken: Die SP wird einen Vorstoss einreichen, der die Schaffung für eine schweizweit verpflichtende Aus- und Weiterbildung der Strafverfolgungsbehörden zu geschlechtsbezogener, sexualisierter und häuslicher Gewalt verlangt. Gewalt an Frauen ist kein Kavaliersdelikt. Die Politik und Behörden müssen gemeinsam Gesetz und Praxis modernisieren.

*Martina Munz ist SP-Nationalrätin für Schaffhausen

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