Auch späte Eltern brauchen Kinderzulagen
Pensionierte Eltern sollen keine Kinderzulagen mehr erhalten. Nimmt auch der Ständerat diese Motion an, ist die Chancengleichheit vieler Kinder im Ausbildungsalter nicht mehr gesichert.
Von Christoph Walser*
Eine Zweidrittel-Mehrheit des Nationalrats hat in der letzten Frühlingssession der Motion zur Abschaffung der Alterskinderrenten zugestimmt. Aus Väterperspektive besonders bedenklich sind die salonfähig gewordenen Abwertungen älterer Männer, mit denen auch Politiker bis in die Mitte-Parteien argumentierten. In der Motion heisst es wörtlich: «Weit über 90 Prozent der Renten fliessen heute an Männer, denn nur wenige Frauen werden mit über 50 Jahren noch Mutter.»
«Und wo liegt das Problem, wenn das Geld vor allem an Väter geht?»
Pardon – was kommt denn hier für eine negative Einstellung gegenüber später Elternschaft zum Ausdruck? Mit über 50 wird doch kaum mehr eine Frau Mutter. Und wo liegt das Problem, wenn das Geld vor allem an Väter geht? Wird da etwa insinuiert, dass ältere Männer das Geld in die eigene Tasche stecken könnten?
In einigen Medien wurde dann noch was anderes aufgebauscht. Alte Männer würden sich mit Steuergeldern vor allem in Thailand ein schönes Leben mit Kindern von verschiedenen Frauen gönnen. Nicht erwähnt wurde, dass ein Missbrauch der Alterskinderrente nur bei ganz wenigen Eltern im In- und Ausland vorkommt. Soll nun wegen dieser kleinen Minderheit vielen Familien ein gutes Leben mit ihren Kindern im Ausbildungsalter verunmöglicht werden?
Pensionierte Eltern betroffen
Man staunt, dass die Initianten sogar noch ins Feld führten, die Kinderrenten für Pensionierte würden junge Familien diskriminieren. Warum sollte denn Geld, welches jungen Erwachsenen im Ausbildungsalter zugutekommt, diskriminierend sein für junge Familien? Eltern im Erwerbsalter erhalten Kinderzulagen. Pensionierte Eltern müssen mit stark reduzierten Mitteln auskommen. Genau diese Einbusse wird mit der Alterskinderrente kompensiert.
Fakt ist: Rund 30 000 Elternteile – und damit eben auch ihre Kinder – wären von einer Abschaffung massiv betroffen, ein grosser Teil davon mittelständische Familien in der Schweiz. Von Ergänzungsleistungen, die als Alternative vorgeschlagen werden, würden aber nur noch stark bedürftige und wenige Familien im unteren Mittelstand profitieren. Gemäss einer Studie des Bundes von 2019 würde die Armutsbetroffenheit von Familien ansteigen. Wenn die Kinderrente wegfällt, muss eine Familie mit mindestens einem Viertel weniger Budget kalkulieren. Jeder gut rechnende Elternteil weiss, was das bedeutet.
Chancengleichheit für junge Menschen
Enttäuschend ist, dass im Nationalrat auch die Mitte-Parteien die Motion befürworteten, da sie doch sonst Eltern mit Teilzeitstellen und neuen Rollenmodellen unterstützen. Gerade diese sind es aber, die keine gefüllten Pensionskassen haben und auf die erhöhte Kinderzulage ab dem Rentenalter dringend angewiesen sind. Man könnte ja über eine sozialere Abstufung in der Zuteilung der Kinderrenten diskutieren. Und um den vermuteten eher seltenen Missbrauch zu bekämpfen, gäbe es bestimmt zielführende Massnahmen.
Eine kostenintensive und komplizierte Umlagerung auf Ergänzungsleistungen durch die Kantone kann nicht die Lösung sein und würde insgesamt auch kaum Einsparungen bringen. Es ist zu hoffen, dass der Ständerat dem Bundesrat folgt, welcher sich seit über 20 Jahren gegen die Abschaffung der Kinderrenten ausspricht, weil diese die Chancengleichheit von jungen Erwachsenen gefährdet. Es geht nicht um späte Eltern oder Väter in Thailand, sondern um die Chancen und die Lebensqualität vieler junger Menschen im Ausbildungsalter!
* Christoph Walser (62) ist Gründungsmitglied von männer.ch, dem Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen, und Vater von zwei Kindern im Primarschulalter