«Am Ende siegt doch oft die Bequemlichkeit»

Wann haben Sie zum letzten Mal im Reisebüro gebucht? Wir nehmen den 50. Geburtstag von Rolf Meier Reisen zum Anlass, bei Co-Geschäftsführer Walter Fink nachzufragen, wie es dem Traditionsunternehmen in Zeiten von Online-Buchungen, Corona und Wetterextremen geht. Und stellen fest: Das Reisebüro entwickelt sich zu einem Nischenanbieter – und lebt damit ganz gut. Grosses Thema bleibt der Unmut von Reisenden rund um den grassierenden Fachkräftemangel.
Machen wir eine kleine Zeitreise: Wie war das damals mit dem Reisen vor 50 Jahren?
Walter Fink: Das Reisebüro hatte vor 50 Jahren eine ganz andere Aufgabe als heute. Wenn man damals verreisen wollte, kam man am Reisebüro kaum vorbei. Es gab auch alle Services, die mit Reisen zu tun hatten – selbst simple inländische Bahnbillette wurden verkauft. Zudem war Reisen im Vergleich zu heute sehr viel teurer. Kostete vor 50 Jahren ein Flugbillett nach London 500 Franken, liegt heute der günstigste Preis für diese Strecke bei weniger als der Hälfte, und dies nicht kaufkraftbereinigt. Sparte man früher zwei Jahre lang für eine grössere Reise, verreist der Durchschnittsschweizer heute zwei- bis dreimal pro Jahr ins Ausland.

Wie haben sich die Trends im Laufe der Jahre entwickelt?
Fink: Anfang der 1990-er Jahren lag das klassische Pauschalreisepäckchen in den Süden hoch im Kurs, bei dem der Kunde an langen, überfüllten Hotelstränden lag. Danach folgte der Trend hin zu Individualreisen, welcher Corona noch befeuerte. Nach den «erzwungenen» Corona-Ferien in der Schweiz sind momentan Reisen ans Meer sehr gefragt – egal ob in den Norden oder in den Süden. Aber auch Wettereinflüsse spielen eine Rolle: Wenn die Sommer sehr heiss sind, steigt die Nachfrage nach nördlichen Destinationen. Und natürlich spüren wir die Wirtschaftslage relativ stark.
Als Reisebüro müssen Sie immer am Puls sein: Haben Sie sich auch einmal in einem Trend geirrt?
Fink: Geirrt ist ein etwas starkes Wort, aber wir hatten erwartet, dass das Dauerthema Nachhaltigkeit auch bei den Reisegewohnheiten Veränderungen mit sich bringen wird. So dachten wir, dass bei Destinationen wie England oder Irland die Leute nun vielleicht auf die Bahn und die Fähre umsteigen würden oder mit dem eigenen Auto anreisen. Dies ist jedoch nicht passiert. Am Ende siegt doch oft die Bequemlichkeit – und wenn das Flugzeug schneller und gar noch billiger ist, ist das eigene Portemonnaie immer noch am wichtigsten.
Wie erlebte Rolf Meier Reisen die Zeit, als das Internet aufkam und auf einmal jeder selbst von Zuhause aus seine Reisen buchen konnte?
Fink: Vor 50 Jahren tätigten wir Reservationen noch mit Telex, Telefon oder sogar per Briefpost und hofften, dass eine Bestätigung zurückkommt. Um das Jahr 2000 kamen dann die grossen Reiseplattformen auf, die es mit ihren Systemen jedem Internetnutzer sehr einfach machen, selbst Buchungen vorzunehmen. Es ist klar: Heute kommt natürlich kaum noch ein Kunde zu uns, der lediglich einen Flug plant. Wir haben jedoch in dieser grossen Veränderungszeit sehr rasch reagiert und uns vor allem die Frage gestellt, in welchem Bereich wir Kunden einen Mehrwert bieten können.
Was ist die Antwort darauf?
Fink: Als Antwort setzten wir radikal auf Spezialisierung und orientierten uns zum Nischenanbieter um. Dieses Geschäftsmodell geht für uns gut auf und wir kommen, obwohl Reisebüros ja schon oft totgesagt wurden, gut über die Runden.
Was hat Corona am Reiseverhalten verändert?
Fink: Die Erwartungshaltung ist nach Corona eher noch gestiegen. Damit treffen momentan grosse Touristenströme auf Destinationen mit zu wenig oder mangelhaft ausgebildetem Fachpersonal. Das sorgt für Unmut. Oft fehlt den Reisenden das Verständnis dafür, was Corona mit der Tourismusbranche gemacht hat: Der Exodus von sehr viel, vor allem gut ausgebildetem Fachpersonal ist schwer aufzufangen. Dieser Effekt war im Ausland noch stärker als in der Schweiz. Wir gehen davon aus, dass die Einschränkungen im Bereich Service und Qualität noch ein bis zwei Jahre anhalten werden.
Wie geht Ihr Unternehmen mit Wetterextremen und den damit zusammenhängenden Unsicherheiten um?
Fink: Ereignisse von «Höherer Gewalt» sind für ein Reisebüro schwierig zu versichern. Aber tritt ein solcher Fall ein, ist der Moment gekommen, das Kundenverhältnis zu stärken. Dann gilt es, nicht über Zuständigkeiten zu diskutieren, sondern dem Kunden unkompliziert zu helfen. Für Personenschäden haben wir eine Haftpflichtversicherung mit sehr hoher Deckung. Zudem muss ein Reisebüro von Gesetzes wegen eine Kundengeldabsicherung abschliessen und ist dem Pauschalreisegesetz unterstellt. Wenn ein Land beispielsweise Touristen die Einreise verbietet, sind wir als Reisebüro verpflichtet, dem Kunden die Reise zu annullieren und ihm das Geld zurückzuerstatten. Glücklicherweise sind wir mit unseren Destinationen bisher von extremen Wetterereignissen grösstenteils verschont geblieben.
Wer wendet sich heute aus welchem Grund an Ihr Büro, um eine Reise zu buchen?
Fink: Vor allem Menschen, denen Beratung, Service, Insiderwissen, Exklusivität, Know-how des Reiseziels und Sicherheit wichtig sind. Das ist übrigens keine Altersfrage, wir haben auch sehr junge Kunden.