«Manchmal fliessen ein paar Tränen»
Wussten Sie, dass es Leihmeerschweinchen gibt? Wir bis vor kurzem auch nicht. Im Rahmen unserer Serie Jobwelten haben wir bei Regula Frei angeklopft. Die kleinen Tierchen sind ihre grosse Leidenschaft – Dutzende leben bei ihr in Lohn. Gelernt haben wir viel Spannendes über eine Tätigkeit, von der man zwar nicht wirklich leben kann, die aber ziemlich viel Spass bringt. Und schwierige Abschiede.
60 bis 70 Meerschweinchen in gemischten Gruppen tummeln sich in wildtiersicheren Gehegen in Regula Freis Garten in Lohn. Darunter befinden sich rund 30 Zuchttiere. Diese werden das ganze Jahr hindurch gedeckt, im Winter etwas weniger häufig. So bleibt die Anzahl an Tieren immer in etwa konstant. Von den rassenrein gezüchteten Tieren verkauft Frei rund 80 bis 100 jährlich, erklärt dabei jedoch: «Ich bin eigentlich keine typische Züchterin, es fällt mir oft schwer, die Tiere gehen zu lassen und manchmal fliessen gar ein paar Tränen.»
Leidenschaft und Beziehung
Man spürt: Für Frei sind die Tiere nicht einfach eine Ware – so nennt sie sie auch ihre «Schätzli» – da ist ganz viel Leidenschaft und Beziehung vorhanden. So bekommt auch jedes Tier seinen eigenen Namen, mit dem es angesprochen wird, egal, wie kurz oder lang das Tier bei ihr bleibt. Die Tiere finden in Privathaushalten, aber auch in Zuchtbetrieben in der Schweiz wie auch im grenznahen Deutschland ein neues Zuhause.
Die Zeitinvestition für die Tiere liegt bei rund dreieinhalb Stunden pro Tag, das Misten und Babyfüttern, Tierarztbesuche und so weiter nicht miteingerechnet. Und dies alles, ohne wirklich viel damit zu verdienen. «Denn die Züchterei ist wirklich nur Leidenschaft und kein Broterwerb», erklärt Frei, die neben der Zucht noch zu 90 Prozent als Dentalassistentin arbeitet.
Ferienbetreuungen
Mit diesem Hintergrundwissen ist auch klar, dass die Erstberatung eines potentiellen Kunden bei Frei einen hohen Stellenwert besitzt. So möchte sie diesen zuerst einmal sehen und alles Wichtige mit ihm besprechen: Die Raumverhältnisse, die gewünschte Anzahl Tiere, die Haltungsart. Neben der Zucht verkauft sie auch Meerschweinchen-Pellets. Ausserdem bietet sie Ferienbetreuungen für Meerschweinchen an. Die «Feriengäste» bekommen dabei ein eigenes Gehege und die Kosten liegen bei 4.50 Franken pro Tier und Tag bei zwei Meerschweinchen, bei jedem weiteren kommen 3.50 Franken dazu.
Meerschweinchen zum Ausleihen
Der speziellste «Service» von Frei ist jedoch sicher die Abgabe von Leihmeerschweinchen. Frei hörte vor rund acht Jahren von ihren Züchterkolleginnen davon und informierte sich weiter. Das Konzept: Stirbt bei einem Meerschweinchen-Halter ein Tier und bleibt eines allein zurück, ist das schlecht für das verbleibende Tier. So gibt sie gegen einen Einmalbetrag eines ihrer Tiere ab – so lange, bis das verbleibende Tier auch gestorben ist. Dann nimmt sie ihr Leihtier wieder zurück. Drei bis fünf Tiere sind so unterwegs.
Auf die Frage, wie sie zu ihrer Leidenschaft gekommen sei, lacht Regula Frei. Schon als Kind hätte sie Meerschweinchen gehabt und dann Ende der 1990-er Jahre wollten ihre eigenen Kinder unbedingt auch ein Tier haben. So taten sie sich zwei männliche Meerschweinchen zu. Die Erleuchtung kam dann, als sie von einer Freundin unwissentlich ein trächtiges Meerschweinchen bekam, dass dann bei ihr gebar. Da war es um sie geschehen. «Da merkte ich: Wow, das ist meins!» Eigentlich hatte sie schon immer einen Bezug zu Tieren gehabt, wollte ursprünglich auch Tierpflegerin werden und würde heute, wenn sie noch jünger wäre, Tierärztin studieren.
Der Partner zieht mit
Bleibt die Frage, ob ihr Mann denn mitmacht bei diesem speziellen, sagen wir «Berufshobby». «Um solch eine Leidenschaft leben zu können, muss auch der Partner einverstanden sein», sagt Regula Frei. «Dafür bin ich meinem Mann sehr dankbar.» Ihr Partner übrigens hat sich damit revanchiert, dass er mit einer Wellensittich-Zucht begann…