«Manchmal fliessen ein paar Tränen»

Iris Fontana | 
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Von 13 Meerschweinchen-Rassen, züchtet Frei in Lohn deren zwei: CH-Teddys (Bild) sowie Lunkaryas. Bild: Regula Frei

Wussten Sie, dass es Leihmeerschweinchen gibt? Wir bis vor kurzem auch nicht. Im Rahmen unserer Serie Jobwelten haben wir bei Regula Frei angeklopft. Die kleinen Tierchen sind ihre grosse Leidenschaft – Dutzende leben bei ihr in Lohn. Gelernt haben wir viel Spannendes über eine Tätigkeit, von der man zwar nicht wirklich leben kann, die aber ziemlich viel Spass bringt. Und schwierige Abschiede.

60 bis 70 Meerschweinchen in gemischten Gruppen tummeln sich in wildtiersicheren Gehegen in Regula Freis Garten in Lohn. Darunter befinden sich rund 30 Zuchttiere. Diese werden das ganze Jahr hindurch gedeckt, im Winter etwas weniger häufig. So bleibt die Anzahl an Tieren immer in etwa konstant. Von den rassenrein gezüchteten Tieren verkauft Frei rund 80 bis 100 jährlich, erklärt dabei jedoch: «Ich bin eigentlich keine typische Züchterin, es fällt mir oft schwer, die Tiere gehen zu lassen und manchmal fliessen gar ein paar Tränen.»

Leidenschaft und Beziehung

Man spürt: Für Frei sind die Tiere nicht einfach eine Ware – so nennt sie sie auch ihre «Schätzli» – da ist ganz viel Leidenschaft und Beziehung vorhanden. So bekommt auch jedes Tier seinen eigenen Namen, mit dem es angesprochen wird, egal, wie kurz oder lang das Tier bei ihr bleibt. Die Tiere finden in Privathaushalten, aber auch in Zuchtbetrieben in der Schweiz wie auch im grenznahen Deutschland ein neues Zuhause.

Die Zeitinvestition für die Tiere liegt bei rund dreieinhalb Stunden pro Tag, das Misten und Babyfüttern, Tierarztbesuche und so weiter nicht miteingerechnet. Und dies alles, ohne wirklich viel damit zu verdienen. «Denn die Züchterei ist wirklich nur Leidenschaft und kein Broterwerb», erklärt Frei, die neben der Zucht noch zu 90 Prozent als Dentalassistentin arbeitet.

Regula Frei
«Ich bin eigentlich keine typische Züchterin, es fällt mir oft schwer, die Tiere gehen zu lassen und manchmal fliessen gar ein paar Tränen»
Regula Frei, Meerschweinchenzüchterin

Ferienbetreuungen

Mit diesem Hintergrundwissen ist auch klar, dass die Erstberatung eines potentiellen Kunden bei Frei einen hohen Stellenwert besitzt. So möchte sie diesen zuerst einmal sehen und alles Wichtige mit ihm besprechen: Die Raumverhältnisse, die gewünschte Anzahl Tiere, die Haltungsart. Neben der Zucht verkauft sie auch Meerschweinchen-Pellets. Ausserdem bietet sie Ferienbetreuungen für Meerschweinchen an. Die «Feriengäste» bekommen dabei ein eigenes Gehege und die Kosten liegen bei 4.50 Franken pro Tier und Tag bei zwei Meerschweinchen, bei jedem weiteren kommen 3.50 Franken dazu.

Meerschweinchen zum Ausleihen

Der speziellste «Service» von Frei ist jedoch sicher die Abgabe von Leihmeerschweinchen. Frei hörte vor rund acht Jahren von ihren Züchterkolleginnen davon und informierte sich weiter. Das Konzept: Stirbt bei einem Meerschweinchen-Halter ein Tier und bleibt eines allein zurück, ist das schlecht für das verbleibende Tier. So gibt sie gegen einen Einmalbetrag eines ihrer Tiere ab – so lange, bis das verbleibende Tier auch gestorben ist. Dann nimmt sie ihr Leihtier wieder zurück. Drei bis fünf Tiere sind so unterwegs.

Auf die Frage, wie sie zu ihrer Leidenschaft gekommen sei, lacht Regula Frei. Schon als Kind hätte sie Meerschweinchen gehabt und dann Ende der 1990-er Jahre wollten ihre eigenen Kinder unbedingt auch ein Tier haben. So taten sie sich zwei männliche Meerschweinchen zu. Die Erleuchtung kam dann, als sie von einer Freundin unwissentlich ein trächtiges Meerschweinchen bekam, dass dann bei ihr gebar. Da war es um sie geschehen. «Da merkte ich: Wow, das ist meins!» Eigentlich hatte sie schon immer einen Bezug zu Tieren gehabt, wollte ursprünglich auch Tierpflegerin werden und würde heute, wenn sie noch jünger wäre, Tierärztin studieren.

Der Partner zieht mit

Bleibt die Frage, ob ihr Mann denn mitmacht bei diesem speziellen, sagen wir «Berufshobby». «Um solch eine Leidenschaft leben zu können, muss auch der Partner einverstanden sein», sagt Regula Frei. «Dafür bin ich meinem Mann sehr dankbar.» Ihr Partner übrigens hat sich damit revanchiert, dass er mit einer Wellensittich-Zucht begann…

Corona und die Entwicklung bei den Haustieren

Das oft angesprochene Phänomen, dass mit Corona die Nachfrage nach Haustieren gestiegen ist, bestätigt Regula Frei voll und ganz. Ohne die üblichen Werbemassnahmen und sonstigen Verkaufsanstrengungen bekam sie während Corona viele Anfragen. Sie erhöhte die Anzahl Deckungen und erzielte 2021 48 Würfe mit rund 130 Babys. In den Folgejahren ging das Geschäft wieder auf das Vorcorona-Niveau zurück. Aber auch heute läuft die Werbung meist noch über Mund-zu-Mund Propaganda. Ende Jahr hat sie jeweils alle gezüchteten Tiere verkauft.

Seit sie im Jahr 2000 mit der Zucht begann, ist die Bedeutung des Haustiers und die Bereitschaft, Geld für spezielle Rassen, Spezialfutter, Anlagen, Tierpension, Tierärzte und anderes auszugeben, eindeutig gestiegen. «Ich erlebe, dass wenn sich jemand wirklich für ein Tier entscheidet, er es meist auch durchzieht und wirklich Investitionen tätigt und dem Tier gut schaut. Negative Fälle gibt es wenige.»

Die beiden Rassen, die Regula Frei züchtet

CH Teddy

CH-Teddys besitzen ein 4 bis 6 cm langes raues Fell. Die Haarlänge am Kopf ist kurz und leicht gekräuselt und steht ausser am Bauch überall plüschartig vom Körper ab. Sie sind gemütliche Charaktere, aufmerksam, lernwillig und eher ruhig (Bilder: Regula Frei).

Lunkarya

Lunkaryas, eine in Schweden entdeckte Meerschweinchen-Mutation. Die Haare sind wellenförmig und sehr harsch, stehen federelastisch und senkrecht vom Körper ab. Sie zählen zu den Langhaarrassen, haben viel Charme und wissen über ihre Schönheit ganz genau Bescheid. Ihre Grundhaltung ist sehr «chillig», die meisten Bewegungen werden gemütlich ausgeführt.

Weitere beliebte Meerschweinchen-Rassen

Peruaner zählen zur Rasse der Langhaartiere und stammen aus England. Ihr Fell ist gerade und fällt gleichmässig vom Tierkörper ab. Peruaner sind eher schnell und zackig unterwegs (Bilder: pixabay.com).

Peruaner

Die klassische, älteste Rasse, das Glatthaar, stammt aus Südamerika und zählt zu den Kurzhaarrassen. Es ist recht schnell und wuselig unterwegs.

Glatthaar

Rosetten stammen aus England, haben zwölf Wirbel, respektive eben Rosetten mit kurzem Fell abstehend vom Körper. Es werden verschiedene Farben gezüchtet.

Rosetten

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