Banker: «Pensionskassen sind für viele Beteiligte eine komplexe Blackbox»

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Wir vergleichen uns häufig mit den Schönen und Reichen. Bild: Key

Nur rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung ist sich bewusst, dass ihr Pensionskassen-Kapital ein Teil ihres privaten Vermögens ist. Was hat das mit der Abstimmung über die 13. ​AHV-Rente zu tun?

von Tashi Gumbatshang*

Rund 1200 ​Milliarden Franken angesparte Vermögen türmen sich in den Schweizer Pensionskassen inzwischen auf. Als Vergleich: Im Jahr 2022 betrug das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz rund 781 ​Milliarden Franken. Das Wachstum dieses Kapitals wird genährt durch Lohnabgaben von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden, freiwillige Einzahlungen sowie Erträge aus Anlagen in die Finanz- und Kapitalmärkte.

Für manch einen dürfte erstaunlich sein, dass der grösste Beitrag aus Letzterem, nämlich den Anlagen stammt. Somit ist der sogenannten «Dritte Beitragszahler» die wichtigste Quelle für die Äufnung des Alterskapitals in der beruflichen Vorsorge. Ausserdem sind rund 85 bis 90 ​Prozent der Pensionskassen-Vermögen dem überobligatorischen – sprich freiwilligen – Teil der 2. ​Säule zuzuordnen.

Angesichts dieser Ausgangslage scheint es paradox, dass sowohl der «Dritte Beitragszahler» als auch die Pensionskassen keinen besonders guten Ruf in der breiten Bevölkerung geniessen. Nun, ein Image hat eben viel mehr mit der Wahrnehmung als mit den nackten Fakten zu tun. Ein Phänomen, das nicht nur in diesem Kontext beobachtbar ist. Doch was sind die möglichen Ursachen dieses «Imageproblems»?

Wenig Wissen vorhanden

Ein Grund könnte darin liegen, dass die Börsenmärkte für viele Menschen als Ort der unseriösen und unsozialen Spekulation, oder eine Art «Casino» für Bessergestellte wahrgenommen werden.

«Pensionskassen sind für viele Beteiligte eine komplexe Blackbox.»

Darunter leiden auch Pensionskassen, die von ihnen verwaltete Gelder investieren müssen, um ihre Leistungen erbringen zu können. Ausserdem sind Pensionskassen für viele Beteiligte, ja sogar Vorgesetzte und Personalverantwortliche eine komplexe Blackbox. Entsprechend ist das Wissen über die wesentlichsten Akteure der 2. ​Säule allgemein sehr bescheiden, was dem Image ebenfalls nicht gerade zuträglich ist.

Das Wehklagen nach dem eindeutigen Verdikt von Volk und Ständen für eine 13. ​AHV-Rente ist immer deutlicher hörbar. Liegt es daran, dass eine wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen die Menschen plagt? Die Zahlen sprechen gegen eine Verschlechterung der Situation. Aber wir wissen es ja eigentlich alle: In den meisten Fällen steuern nicht die Fakten, sondern die subjektive Wahrnehmung unsere Emotionen, und diese wiederum unsere Handlungen – und somit auch unser Abstimmungsverhalten.

Durch und durch versichert

Ein reiches, sozialpolitisch weit entwickeltes und hoch individualisiertes Land wie die Schweiz lebt sozusagen in einem Paradox: Die totale gesellschaftliche Individualisierung wurde erst durch die technisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen möglich: Jede und jeder ist durch und durch versichert für alle Notfälle und im schlimmsten Fall schaut der Staat. Ergo herrscht vermehrt die Meinung vor, man benötige keine Angehörige, Freunde oder Familie, die diese Funktion früher ausfüllten und man müsse auch kein Vermögen ansparen – was früher typischerweise für eben solche Notfälle gedacht war.

Wenn wir den Blick nach aussen wenden, werden wir permanent mit Bildern der Schönen und Reichen sowie der gierigen Topmanager berieselt, was unsere Wahrnehmung der Realität beeinflusst. Aus der psychologischen Forschung weiss man schon lange: Nicht das absolute Wohlstandsniveau ist entscheidend für die persönliche Zufriedenheit, sondern das relative Niveau. Etwas vereinfacht gesagt also die Frage, ob ich mehr oder weniger habe als meine Nachbarn oder eine sonstige Vergleichsgruppe.

Aber zurück zur AHV-Abstimmung: Ja, die Wahrnehmung hat sicherlich einen Beitrag zum Abstimmungsergebnis geleistet. Was kann man tun, um unser subjektives Wohlstandsempfinden zu verbessern? Eine einfache Frage, auf die es wohl viele und sehr komplexe Antworten gibt. Ein pragmatischer Schritt wäre, die obligatorische Deklarierung des Pensionskassen-Vermögens in der Steuererklärung im Vermögensteil und ohne Steuerfolgen. Warum? Weil dies bei den meisten Bürgerinnen und Bürgern wohl erst die Wahrnehmung dafür schärfen würde, dass dies häufig den grössten Teil ihres Gesamtvermögens ausmacht. Wahrnehmung ist eben alles!

*Tashi Gumbatshang ist Leiter Kompetenz-Center Vermögens- und Vorsorgeberatung der Raiffeisen Schweiz Genossenschaft

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